Digitalzwang: Es gibt ein Recht auf eine analoge Alternative

Ein juristisches Gutachten klärt, in welchen Fällen digitale Dienstleistungen auch analog angeboten werden müssen. Es kommt zu dem Schluss, dass ein Verbot von Digitalzwang ins Grundgesetz gehört.

Ein alter Mann versucht eine Push-TAN zu nutzen und sagt in einer Sprechblase: Ich bin alt, aber kein Idiot
Digitalzwang schließt auch, aber lange nicht nur, ältere Menschen aus. CC-BY 4.0 Mullana

Menschen, die auf bestimmte Dienstleistungen angewiesen sind, haben ein Recht darauf, diese auch offline nutzen zu können. Das besagt ein juristisches Gutachten des Netzwerk Datenschutzexpertise. Der Verein digitalcourage, der das Gutachten initiierte, sieht dadurch seine Kampagne gegen Digitalzwang deutlich gestärkt.

Das Gutachten, das von Thilo Weichert und Karin Schuler erstellt wurde, klärt, unter welchen Voraussetzungen eine analoge Alternative zum digitalen Angebot verpflichtend ist. Die Grundannahme ist: Es gibt Menschen, die digitale Angebote nicht wahrnehmen können, weil sie sich zum Beispiel die nötigen Geräte und Anschlüsse nicht leisten können, nicht über die nötige Medienkompetenz verfügen oder aufgrund einer Beeinträchtigung Schwierigkeiten mit bestimmten Angeboten haben.

Andere versuchen, digitale Angebote zu meiden, weil sie sich darum sorgen, was mit ihren Daten geschieht. Laut statistischem Bundesamt hatten 2022 sechs Prozent der Menschen zwischen 16 und 74 noch nie das Internet genutzt.

Ein analoges Angebot zum Schutz vor Diskriminierung

Gleichzeitig kann, so das Gutachten, Digitalisierung zu größerer Wirtschaftlichkeit und zu mehr Bürgernähe führen. Es gelte also, eine Balance zu finden. „Selbstverständlich kann ein Grundrecht auf eine analoge Alternative zu digitalen Verfahren nicht voraussetzungslos und unbeschränkt bestehen“, heißt es in dem Gutachten.

Das Recht auf ein analoges Angebot begründen die Autor*innen des Gutachtens unter anderem im Recht auf Datenschutz, im Diskriminierungsverbot, in der staatlichen Schutzpflicht gegenüber Menschen mit Behinderungen, Senioren oder sozial Benachteiligten, im Anspruch auf Daseinsvorsorge, im Recht auf Informationsfreiheit und Meinungsäußerung sowie im Rechtsstaatsprinzip.

Das Gutachten versammelt beispielhaft einige Dienstleistungen, die nur noch digital angeboten werden. Die Energiepreispauschale wurde 2023 beispielsweise nur an Studierende ausgezahlt, die sich bei BundID registriert hatten. Die bayerische Künstlerförderung ist nur digital beantragbar. Einige Banken nehmen keine Papierüberweisungen mehr an.

Viele Services gibt es nur noch digital

Es gibt Anbieter von Strom, Wasser, Gas oder Telekommunikation, die ausschließlich digital mit ihren Kund*innen kommunizieren. Ohne Smartphone-App lassen sich Pakete nicht mehr aus Packstationen befreien. In vielen Arztpraxen lassen sich Termine nur noch online vereinbaren. Die Bahncard gibt es nicht mehr als Karte. Eintrittskarten für einige Museen oder Schwimmbäder lassen sich nur noch elektronisch kaufen.

„Digitalisierung darf nicht zu einer digitalen Spaltung der Gesellschaft führen“, sagt Karin Schuler. Ihr Co-Autor Thilo Weichert, der auch Co-Vorsitzender von digitalcourage ist, fügt hinzu: „Zur Verdeutlichung ist es sinnvoll, ein Verbot digitaler Diskriminierung verfassungsrechtlich zu fixieren.“ Dieses Anliegen, ein Verbot von Digitalzwang ins Grundgesetz aufzunehmen, unterstützt auch der Verein digitalcourage, der zu diesem Zweck eine Unterschriftenaktion betreibt, die noch bis zum 23. Mai 2025 läuft.


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