Vor der Inauguration von Trump zum 47. US-Präsidenten versuchten westliche Hardliner über eskalierende Provokationen ausloten zu lassen, wie eine Ukraine-Regelung für die Verlierer des kollektiven Westens unter geringsten Gesichtsverlust sich ggfs. einrichten liesse.
Sergey Lawrow: «Die USA kämpfen, um ihre
Hegemonie über die ganze Welt aufrecht zu erhalten!»
Von REDAKTION | Die Versuche der atlantischen Kriegsfraktion unter Einsatz immer dreisterer Provokationen Russland zu Fehlern bzw. Überreaktionen zu verleiten, sind bisher allesamt gescheitert – ganz im Gegenteil: Der Einsatz westlicher Marschflugkörper gegen russisches Staatsgebiet schlug nicht nur fehl – vielmehr gingen besagte (Ab-)Schüsse nach hinten los: Russland antwortete mit dem Testeinsatz seines neuen Waffensystems, Oreschnik unter Gefechtsbedingungen, indem das neue Waffensystem eine unterirdische Militär-Bunker-Produktionsanlage in Dnipropetrowsk unbrauchbar machte.
Das Waffensystem, gebündelt – als Haselnuss-Strauch eingesetzt – entfaltet eine Wirkung gleich einer Atombombe, doch ganz ohne radioaktive Verseuchung. Die Hyperschallsprengköpfe – insgesamt 36 Stück pro Rakete – gestatten Präzisionsschläge mit 12.000 km Anfluggeschwindigkeit, welche die Zielpunkte unter einer Temperaturentwicklung von über 4.000°C zu Asche und Staub pulverisieren lassen.
Der kollektive Westen kann dieser russischen Technologie und Technik zum heutigen Zeitpunkt, weder konventionell noch atomar, etwas Gleichwertiges entgegensetzen. Oreschnik-Systeme können von keiner im Westen verfügbaren Flugabwehr abgefangen werden und sind in der Lage im Umkreis von 5.500 km zu jedem Zeitpunkt jeden Zielpunkt des kollektiven Westens aus dem Spiel zu nehmen.
Donald Trump, der gerne versucht sich mit Fäusten und markigen Sprüchen, wie «I have killed the Nord Stream Pipeline!», gegenüber US-Vasallen in Szene zu setzen – dürfte zur misslichen Lage des Westens inzwischen ein Stern aufgegangen sein. So, wurde diesmal zur Abwechslung Tucker Carlson auf freundliche Art & Weise – mit guten Manieren und ganz ohne Wild-West-Gehabe – losgeschickt, um vor Ort in Moskau die Realitäten rund um die Schräglage des Westens vorzusondieren: Über ein Interview mit Sergey Lawrow, dem unübertroffenen Doyen der hohen Diplomatie, dem die Polit-Gartenzwerge des kollektiven Westens gerade zur Schuhsohle reichen.
Das Interview von Sergey Lawrow durch Tucker Carlson – Teil 1
Tucker Carlson: Herr Minister Lawrow, vielen Dank für Ihre Bereitschaft . Glauben Sie, dass die Vereinigten Staaten und Russland sich derzeit im Krieg gegeneinander befinden?
Sergej Lawrow: Das würde ich nicht so ausdrücken. Auf jeden Fall ist es nicht das, was wir anstreben. Wir möchten natürlich normale Beziehungen zu allen unseren Nachbarn, aber grundsätzlich zu allen Ländern, insbesondere mit einem so großartigen Land wie den Vereinigten Staaten, pflegen. Präsident Wladimir Putin hat wiederholt seinen Respekt für das amerikanische Volk, die amerikanische Geschichte und amerikanischen Errungenschaften in der Welt zum Ausdruck gebracht und wir sehen keinen Grund, warum Russland und die Vereinigten Staaten nicht zum Wohl des Universums zusammenarbeiten könnten.
Tucker Carlson: Aber die Vereinigten Staaten finanzieren einen Konflikt, in den Sie verwickelt sind und erlauben nun Angriffe auf Russland selbst. Ist das kein Krieg?
Sergej Lawrow: Richtig! Doch wir befinden uns nicht offiziell im Krieg. Aber was in der Ukraine abläuft, wird von einigen als hybrider Krieg bezeichnet. Ich würde es ebenfalls als hybriden Krieg ansehen, denn es ist offensichtlich, dass die Ukrainer nicht imstande wären, moderne Marschflugkörper, ohne direkte Beteiligung amerikanischer Spezialisten zum Einsatz zu bringen. Das alles ist gefährlich und steht ausser Zweifel!
Wir wollen die Situation, wie sie gerade geschieht, nicht verschärfen, zumal jedoch ATACMS und andere Langstreckenwaffen gegen russisches Staatsgebiet eingesetzt werden, möchten wir Signale setzen. Wir hoffen, dass unser letztes Signal in Gestalt des neuen Waffensystems, Oreschnik, ernst genommen wird.
Zugleich kennen wir aus den letzten Tagen von einigen Offiziellen im Pentagon, wie auch von NATO, Äusserungen, welche in die Richtung zielen, wonach NATO zwar ein Verteidigungsbündnis sei, doch man fallweise auch zuerst zuschlagen könnte, weil Angriff die beste Verteidigung wäre.
Andere, wie z.B. Thomas Buchanan – ein Repräsentant von STRATCOM – der sagt, dass es Situationen gäbe, die einen Zusammenstoss mit begrenzten Nuklearschlägen zuliessen.
Diese Art von Drohungen ist in der Tat besorgniserregend. Denn, wenn man der jüngst verlauteten Logik westlicher Vertreter folgt, so glauben jene nicht, dass Russland zu seinen roten Linien stehen würde, doch verkünden ihrerseits roten Linien, die sie immer weiter verschieben. Das stellt einen schwerwiegenden Fehler dar. Das möchte ich als Antwort auf Ihre Frage geben.
Nicht wir haben den Krieg begonnen. Putin hat wiederholt erklärt, dass wir die spezielle Militäroperation begannen, um den Krieg zu beenden, nachdem das Kiewer Regime den Krieg in Teilen des Donbass gegen sein eigenes Volk aufgenommen hatte. Gerade in seiner jüngsten Erklärung hat Präsident Putin klar gestellt, dass wir auf alle Eventualitäten vorbereitet sind. Doch, wir bevorzugen friedliche Lösungen, über Verhandlungen basierend auf Achtung der legitimen Sicherheitsinteressen Russlands und derjenigen Menschen, die immer noch in der Ukraine leben und Russen sind.
Eine Reihe von Gesetzen, die inzwischen vom ukrainischen Parlament verabschiedet wurden, haben die grundlegenden Menschenrechte, Sprachrechte und religiösen Rechte dieser Russen eliminiert. Das hat schon lange vor der speziellen Militäroperation eingesetzt: Vom Jahr 2017 an wurden Gesetze verabschiedet, die Unterricht auf Russisch und russische Medien in der Ukraine verbieten sowie auch ukrainischen Medien untersagen auf Russisch zu arbeiten. Zuletzt unternahm man Schritte, um jegliche kulturelle Veranstaltungen in russischer Sprache verbannen und russische Bücher aus Bibliotheken entfernen bzw. vernichten zu lassen. Das letzte war das Gesetz, welches die kanonische orthodoxe Kirche – die Ukrainische Orthodoxe Kirche – verbietet.
Es ist sehr bezeichnend, wenn Menschen im Westen fordern, diesen Konflikt auf Grundlage der UN-Charta unter Achtung der territorialen Integrität der Ukraine zu lösen und Russland sich zurückzuziehen habe. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen sagte ähnliche Dinge. Vor kurzem wiederholte sein Vertreter, dass der Konflikt auf Grundlage des Völkerrechts, der UN-Charta und Resolutionen der Generalversammlung gelöst werden müsste und die territoriale Integrität der Ukraine zu respektieren sei.
Doch das ist eine verfehlte Darstellung, denn wenn man die Charta der Vereinten Nationen heranziehen wollte, müsste man sie in ihrer Gesamtheit anerkennen. Die Charta der Vereinten Nationen besagt unter anderem, dass alle Länder die Gleichheit unter Staaten und das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu respektieren hätten. Man hat sich auch auf Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen bezogen: Es ist klar, dass man damit eine Reihe von Resolutionen meint, die erst nach Beginn der speziellen Militäroperation verabschiedet wurden, wonach Russland zu verurteilen sei, damit sie das Gebiet der Ukraine nach den Grenzen von 1991 wieder verliessen.
Aber es gibt auch andere Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, über die nicht abgestimmt, die aber einvernehmlich angenommen wurden: Dazu gehört eine Erklärung über die Grundsätze der Beziehungen zwischen Staaten auf Grundlage der UN-Charta. Darin heißt es eindeutig, wie im Konsens beschlossen, dass von allen Seiten die territoriale Integrität von Staaten zu respektieren wäre, deren Regierungen das Recht der Menschen auf Selbstbestimmung anerkannt hätten und daher die gesamte Bevölkerung, die auf einem bestimmten Gebiet lebte, vertreten würden.
Das Argument, wonach Menschen, die im Februar 2014 durch einen Coup d’état an die Macht gekommen waren, die Krim oder die Bürger der Ost- und Südukraine repräsentierten, taugt zu nichts. Es ist offensichtlich, dass die Krim den Putsch von sich gewiesen hat. Sie sagten: «Lasst uns in Ruhe, wir wollen damit nichts zu tun haben!» Demnach handelten wir: Donbass und Krim hielten Referenden ab und schlossen sich wieder Russland an.
Die Leute des Donbass wurden in Folge von den Putschisten, die an die Macht gekommen waren, zu Terroristen erklärt. Sie wurden beschossen und mit Artillerie angegriffen.
Der Krieg begann, welcher im Februar 2015 gestoppt wurde, nachdem die Minsker Vereinbarungen unterzeichnet worden waren.
Wir waren aufrichtig daran interessiert, dieses Drama durch die vollständige Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu beenden. Das wurde jedoch von der Regierung, die nach dem Staatsstreich in der Ukraine eingesetzt wurde, sabotiert.
In den Minsker Vereinbarungen wurde gefordert, dass sie in einen direkten Dialog mit den Menschen, die den Staatsstreich nicht akzeptierten, einzutreten hätten. Die Minsker Vereinbarungen forderten, die Wirtschaftsbeziehungen zu besagten Teilen der Ukraine zu fördern und vieles mehr. Doch, nichts davon wurde realisiert!
Die Leute in Kiew erklärten, dass man niemals mit ihnen direkt sprechen wollte. Das geschah, obwohl die Forderung nach direkten Gesprächen vom Sicherheitsrat bekräftigt worden war. Doch, die Putschisten beharrten, dass es sich um Terroristen handele, die zu bekämpfen seien, um sie in Kellern sterben zu lassen, weil man selbst zu den Stärkeren gehöre.
Wäre der Coup d’état im Februar 2014 nicht passiert und wäre das am Tag zuvor zwischen dem damaligen Präsidenten und der Opposition geschlossene Abkommen umgesetzt worden, wäre die Ukraine bis heute ein Ganzes geblieben – mit der Krim als Teil davon. Das ist völlig klar. Sie haben das Abkommen nicht eingehalten. Stattdessen inszenierten sie den Coup d’état. Das Abkommen sah übrigens die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit im Februar 2014 und die Abhaltung vorgezogener Wahlen vor, die der damalige Präsident verloren hätte. Das wusste jeder. Doch, sie wurden ungeduldig und besetzten am nächsten Morgen die Regierungsgebäude. Sie gingen zu besagtem Maidan-Platz und verkündeten, dass sie die Regierung der Gewinner gebildet hätten. Vergleichen Sie damit eine Regierung der nationalen Einheit, die sich auf Wahlen vorbereitete, mit jener Regierung der Gewinner.
Wie können Menschen, die nach Meinung besiegt worden wären, so tun, als würden sie die Behörden in Kiew anerkennen? Wie man weiss, schaffte das Selbstbestimmungsrecht die internationale Rechtsgrundlage für den Entkolonialisierungsprozess, der in Afrika auf Grundlage dieses Prinzips der UN-Charta und dem Recht auf Selbstbestimmung den Weg bahnte. Die Menschen in den Kolonien haben die Kolonialmächte und ihren kolonialen Meister, nie als Ihre Vertretung anerkannt. Sie wollten diese niemals in Strukturen sehen, um darüber ihre Länder verwalten zu lassen. Aus dem gleichen Grund betrachten die Menschen im Osten und Süden der Ukraine – die Menschen aus dem Donbass und Noworossija – das Selenskyj-Regime nicht als Vertreter ihrer Interessen. Wie könnten sie das tun, nachdem ihre Kultur, Sprache, Traditionen und Religion – all das – verboten worden war?
Mein letzter Punkt bezieht sich auf die UN-Charta & UN-Resolutionen bzw. das Völkerrecht: Der allererste Artikel der UN-Charta, an den sich der Westen im ukrainischen Kontext nie und niemals erinnern möchte, besagt:
Achte die Menschenrechte aller, unabhängig von Rasse, Geschlecht, Sprache oder Religion!
Vergegenwärtigen wir uns irgendeinen Konflikt: Die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Brüssel, sie würden sich einmischen und verkünden: „Oh , die Menschenrechte wurden grob verletzt. Wir müssen die Menschenrechte in diesem und jenem Gebiet wiederherstellen!“ In Bezug auf die Ukraine haben sie das Wort „Menschenrechte“ nie und niemals auch nur genuschelt, nachdem sie mit ansehen mussten, wie diese Menschenrechte für die russische und russischsprachige Bevölkerung durch Gesetzeskraft völlig ausgelöscht worden war. Wenn also jemand erklärt: „Lasst uns diesen Konflikt auf der Grundlage der Charta lösen!“, dann ist das in Ordnung. Aber vergessen Sie nicht, dass es in der Charta nicht nur um territoriale Integrität geht. Denn, territoriale Integrität hätte nur dann respektiert zu werden, falls die Regierungen legitim wären und die Rechte ihres eigenen Volkes respektieren würden.
Tucker Carlson: Ich möchte auf das zurückkommen, was Sie zuvor gerade über die Einführung bzw. Enthüllung dieses Hyperschall-Waffensystems gesagt hatten, was Ihrer Meinung nach, ein Signal an den Westen ausgesandt hätte. Um was für ein Signal genau ging es dabei? Ich glaube, viele Amerikaner wissen nicht einmal, was passiert ist. Welche Botschaft haben Sie ausgesandt, um sie der Welt zu zeigen?
Sergej Lawrow: Nun, die Botschaft ist, ihnen – ich meine die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten – die dem Kiewer Regime auch diese Marschflugkörper zur Verfügung gestellt hatten, zu verstehen zu geben, dass wir bereit wären, jedes Mittel einzusetzen, um ihnen nicht zu erlauben, mit dem, was sie unter strategischer Niederlage Russlands verstehen, erfolgreich zu sein:
Sie kämpfen, um die Hegemonie über die Welt aufrecht zu erhalten – über jedes Land, jede Region, jeden Kontinent. Wir kämpfen für unsere legitimen Sicherheitsinteressen.
Sie sprechen beispielsweise über die Grenzen von 1991: Lindsey Graham, der vor einiger Zeit Wladimir Selenskyj zu einem weiteren Gespräch besucht hatte, sagte in seiner Gegenwart unverblümt, wonach die Ukraine sehr reich an Metallen Seltener Erden wäre und sie diesen Reichtum nicht den Russen überlassen könnten: «Das müssen wir uns nehmen – wir kämpfen!»
Sie kämpfen also für ein Regime, das bereit scheint, alle Natur – und Human-Ressourcen zu verkaufen oder an den Westen zu verschenken. Wir kämpfen für die Menschen, die auf diesem Land leben und deren Vorfahren dieses Land über Jahrhunderte hinweg erschlossen und dort Städte und Fabriken errichtet haben:
Wir kümmern uns um die Menschen, nicht um die natürlichen Ressourcen , die gewisse Leute in den USA gerne für sich behalten wollten, um die Ukrainer bloss als ihre Diener auf diesen natürlichen Ressourcen sitzen zu sehen.
Die Botschaft, die wir mit dem Test dieses Hyperschallsystems unter Gefechtsbedingungen aussenden wollten, war, dass wir bereit sind, alles zu tun, um unsere legitimen Interessen zu verteidigen.
Wir verabscheuen bereits den Gedanken eines Krieges gegen die Vereinigten Staaten, wobei dieser einen nuklearen Charakter annehmen würde. Unsere militärische Doktrin besagt, dass es das Wichtigste sei, einen Atomkrieg zu verhindern.
Übrigens waren wir es, die im Januar 2022 den Antrag – die gemeinsame Erklärung der Staats- und Regierungschefs der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats – einbrachten, aus der hervorgeht, dass wir alles tun wollten, um eine Konfrontation zwischen uns zu vermeiden und wir die Sicherheitsinteressen und -anliegen der jeweils anderen Seite anerkennen und respektieren möchten. Das ist unsere Initiative gewesen!
Doch, die Sicherheitsinteressen Russlands wurden völlig ignoriert, als man etwa zur gleichen Zeit unseren Vorschlag ablehnte einen Vertrag mit Sicherheitsgarantien für Russland und die Ukraine im Rahmen der Koexistenz abschließen zu lassen und die Ukraine niemals Mitglied der NATO oder eines anderen Militärbündnisses hätte werden dürfen. Diese Sicherheitsinteressen Russlands wurden dem Westen, der NATO und den Vereinigten Staaten im Dezember 2021 vorgelegt. Wir haben sie mehrmals diskutiert – auch bei meinem Treffen mit Antony Blinken im Januar 2022 in Genf. Doch, das wurde abgelehnt!
Wir möchten auf jeden Fall Missverständnisse vermeiden. Nachdem Leute – einige in Washington und einige in London und Brüssel – nicht imstande scheinen, das zu verstehen, werden wir zusätzliche Botschaften aussenden, falls sie nicht die notwendigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen vermögen.
Tucker Carlson: Die Tatsache, dass wir ein Gespräch über einen möglichen Nuklearwaffeneinsatz führen, hätte ich nie für möglich gehalten:Es stellt sich die Frage, wie viel an Dialog über inoffizielle Kanäle zwischen Russland und den Vereinigten Staaten stattfindet. Hat es in den letzten zweieinhalb Jahren einen solchen Dialog gegeben? Gibt es derzeit Gespräche?
Sergej Lawrow: Es gibt mehrere Kanäle, doch hauptsächlich zum Austausch von Personen, die in Russland und in den Vereinigten Staaten ihre Haft absitzen. Es gab dazu diverse Austauschaktionen.
Es gibt noch Kanäle, die nicht beworben bzw. veröffentlicht werden, aber im Grunde senden die Amerikaner über diese Kanäle die gleiche Botschaft aus, die sie auch öffentlich verlauten lassen: «Sie müssen einlenken und den Weg akzeptieren, der auf den Bedürfnissen und der Position der Ukraine basiert!» Sie unterstützen diese absolut sinnlose „Friedensformel“ von Wladimir Selenskyj, die kürzlich durch einen „Siegesplan“ ergänzt wurde. Sie haben mehrere Treffen im Kopenhagener Format und in Bürgenstock abgehalten. Und sie prahlen damit, dass sie in der ersten Hälfte des nächsten Jahres eine weitere Konferenz einberufen werden und sie Russland diesmal gütiger Weise einladen wollten. Doch, darauf würde Russland ein Ultimatum gestellt werden.
All dies wird ernsthaft über verschiedene vertrauliche Kanäle wiederholt. Inzwischen hören wir andere Töne, einschließlich Aussagen von Wladimir Selenskyj, wonach wir jetzt an der Kontaktlinie aufhören könnten. Die ukrainische Regierung würde dann in die NATO aufgenommen, doch NATO-Garantien würden zu diesem Zeitpunkt nur das von der Regierung kontrollierte Gebiet abdecken, wobei der Rest noch Gegenstand künftiger Verhandlungen zu sein hätte. Aber das Endergebnis dieser Verhandlungen müsste im Grunde der vollständige Rückzug Russlands von russischem Boden sein, um…:
… das russische Volk dem Nazi-Regime zu überlassen, das alle Rechte der russischen und russischsprachigen Bürger ihres eigenen Landes ausgelöscht hatte.
Tucker Carlson: Ich würde gerne noch einmal auf die Frage des nuklearen Schlagabtausches zurückkommen. Es gibt also keinen Mechanismus, über den die Staats- und Regierungschefs Russlands und der Vereinigten Staaten miteinander in Kommunikation treten könnten, um Missverständnissen, die Hunderte Millionen Menschen auslöschen könnten, zuvorzukommen?
Sergej Lawrow: Nein! Wir haben diesen Kanal, der automatisch aktiviert wird, bevor Abschüsse von ballistischen Raketen stattfänden. Beispielsweise im Fall der Oreschnik-Hyperschall-Mittelstreckenrakete, hat das System 30 Minuten im Voraus eine Nachricht an die Vereinigten Staaten gesandt. Die USA wussten zugleich, um das nicht mit etwas Größerem oder Gefährlichem zu verwechseln.
Tucker Carlson: Ich meine, das klingt sehr gefährlich?
Sergej Lawrow: Nun, es handelte sich um einen Testabschuss – Sie verstehen…
Tucker Carlson: Ja – Sie sprechen von einem Test – verstanden. Aber ich frage mich, wie besorgt Sie sind, angesichts der Tatsache, wie wenig Austausch es zwischen den beiden Ländern zu geben scheint. Beide Seiten sprechen davon, die Bevölkerung der anderen Seite auszulöschen. Das könnte in sehr kurzer Zeit außer Kontrolle geraten und von niemanden mehr aufgehalten werden – das scheint unglaublich verantwortungslos zu sein?
Sergej Lawrow: Nein – wir sprechen nicht davon, die Bevölkerung eines Landes auszulöschen. Wir haben diesen Krieg nicht angefangen. Wir haben über Jahre hinweg unzählige Warnungen ausgesprochen, dass die Annäherung von NATO an unsere Grenzen ein Problem schaffen würde.
Im Jahr 2007 begann Putin, den Menschen zu erklären, dass sie vom „Ende der Geschichte“, von ihrer Dominanz, befreit von jeglicher Herausforderung, absorbiert zu werden schienen.
Natürlich haben die Amerikaner nach dem Coup d’état auch nicht verheimlicht, dass sie dahintersteckten. Es gibt ein Gespräch zwischen Victoria Nuland und dem damaligen amerikanischen Botschafter in Kiew, bei dem sie über Persönlichkeiten sprechen, die nach dem Putsch in die neue Regierung aufgenommen werden sollten. Die Summe von 5 Milliarden US-Dollar, die nach der Unabhängigkeit für die Ukraine ausgegeben worden war, wurde als Garantie angeführt, dass alles so laufen würde, wie es sich die Amerikaner vorgestellt hätten.
Wir haben also nicht die Absicht, das ukrainische Volk auszulöschen. Sie sind Brüder und Schwestern des russischen Volkes.
Frage: Wie viele Menschen sind Ihrer Meinung nach bisher auf beiden Seiten ums Leben gekommen?
Sergej Lawrow: Die Ukrainer geben keine Zahlen bekannt. Wladimir Selenskyj sagte, dass es auf ukrainischer Seite viel weniger als 80.000 Gefallene wären.
Aber es gibt eine sehr verlässliche Zahl: In Palästina, ein Jahr nachdem die Israelis ihre Operation als Reaktion auf jenen Terroranschlag, den wir verurteilen, gestartet hatten. Dieser Operation haftete selbstredend der Charakter einer Kollektivbestrafung an, was ebenso gegen das humanitäre Völkerrecht verstößt. Ein Jahr nach Beginn der Operation gegen Palästina wird die Zahl der getöteten palästinensischen Zivilisten auf 45.000 geschätzt. Das sind fast doppelt so viele, wie die Zahl der Zivilisten auf beiden Seiten des ukrainischen Konflikts, die in den zehn Jahren seit dem Coup d’état ums Leben gekommen sind.
Ein Jahr gegenüber zehn Jahren . Es kam zu einer Tragödie in der Ukraine – es ist eine Katastrophe in Palästina, aber wir hatten nie, niemals das Ziel, Menschen zu töten – das ukrainische Regime aber schon!
Der Leiter des Büros von Wladimir Selenskyj sagte einmal, dass sie dafür sorgen wollten, dass Städte wie Charkiw und Mykolajiw vergessen würden, was Russland überhaupt bedeute. Ein anderes Mitglied seines Büros erklärte, dass die Ukrainer die Russen per Gesetz oder, falls nötig, physisch ausrotten müssten. Der ehemalige ukrainische Botschafter in Kasachstan, Pjotr Wrublewski, wurde berühmt , als er in einem Interview in die Kamera blickte – die Aufnahme wurde aufgezeichnet und ausgestrahlt – und verkündete:
Unsere Hauptaufgabe ist es, so viele Russen wie möglich zu töten, damit unsere Kinder weniger zu tun haben!
Solche Aussagen sind im Vokabular des Regimes allgegenwärtig.
Tucker Carlson: Wie viele Russen wurden seit Februar 2022 in Russland getötet?
Sergej Lawrow: Es steht mir nicht zu, diese Informationen offenzulegen. In Zeiten militärischer Operationen gelten besondere Regeln. Unser Verteidigungsministerium folgt diesen Regeln.
Aber es gibt eine sehr interessante Tatsache: Als Wladimir Selenskyj nicht auf der internationalen Bühne, sondern in seinem Comedy-Club oder wie auch immer man das nennen soll, auftrat, verteidigte er – es gibt noch Videos aus dieser Zeit – unverblümt die russische Sprache. Er sagte: „Was ist falsch an der russischen Sprache? Ich spreche Russisch. Russen sind unsere Nachbarn. Russisch ist eine unserer Sprachen“. Er fügte an, dass diejenigen, die die russische Sprache und Kultur angreifen wollten, sich zum Teufel scheren mögen. Doch, nachdem Wladimir Selenskyj Präsident geworden war, änderte er sich sehr schnell!
Noch vor der Militäroperation wurde er im September 2021 interviewt, während er zu diesem Zeitpunkt einen Krieg gegen den Donbass, was einen Verstoß gegen die Minsker Abkommen darstellte, führte. Der Interviewer fragte Selenskyj, was er von den Menschen auf der anderen Seite der Kontaktlinie halte.
Er antwortete sehr nachdenklich, dass es Menschen und Kreaturen gäbe!
Doch er rate jenen, welche in der Ukraine lebten und sich der russischen Kultur verbunden fühlten, um Ihrer Kinder und Enkel willen, nach Russland wegzuziehen. Falls ein solcher Kerl Russen und Leute russischer Kultur wieder unter seine territoriale Integrität bringen wollte, dann zeigte dies – so meine ich – dass er dafür nicht geeignet ist!
Teil II folgt
***
Übersetzung: UNSER-MITTELEUROPA
- Das Interview im Original auf TCN und Englisch: Hier
UNSER-MITTELEUROPA zu verwandten Themen:
- Zum Waffensystem Oreschnik: Hier
- Zum Trump Geständnis der Nord-Stream-Sprengung: Hier
- Zum Besatzungsmodell des Wertewestens für die Ukraine: Hier
***
***
Meist kommentiert