Boris Johnson, der ehemalige britische Premierminister, soll im Herbst 2021 versucht haben, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu versichern, dass die Ukraine auf absehbare Zeit nicht der NATO beitreten werde. Dies berichtet die Zeitung Daily Express. Sie beruft sich dabei auf das Buch "The War" des amerikanischen Journalisten Bob Woodward. Die Zeitung zitiert aus dem Buch:
"Der britische Premierminister hat im Herbst 2021 mit Putin telefoniert und gesagt: 'Es gibt keinen Grund, in die Ukraine einzumarschieren. Die Ukraine wird auf keinen Fall in naher Zukunft der NATO beitreten'."
Laut Woodward fragte der russische Staatschef, welchen Zeitraum Johnson meine. Johnson antwortete:
"Die Realität ist, dass die Ukraine in absehbarer Zeit nicht beitreten wird."
Laut dem Journalisten habe Johnson geglaubt, Putin wolle, dass die westlichen Staats- und Regierungschefs dies offen erklären. Zudem wertete der ehemalige britische Premierminister öffentliche Erklärungen, die Türen des Bündnisses seien für neue Mitglieder verschlossen, als "Eingeständnis der Niederlage".
Woodward erklärte, dass das Telefonat mit Putin nach dem G20-Gipfel im Oktober 2021 stattgefunden habe, als Johnson und andere Staatschefs, darunter der französische Präsident Emmanuel Macron, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und ihr künftiger Nachfolger Olaf Scholz, angeblich von US-Präsident Joe Biden Informationen über den Aufmarsch russischer Truppen an der Grenze erhalten hätten.
Dabei soll Biden anderen Staatschefs gesagt haben:
"Wir haben Informationen darüber, was sie wirklich denken, planen und beabsichtigen. Aber wir wissen nicht, ob sie wirklich abdrücken werden, aber der Abzug ist gespannt."
Im September hatte Johnson in einem Artikel für das Magazin Spectator die sofortige Aufnahme der Ukraine in die NATO gefordert. Seiner Meinung nach könnte der Schutz des fünften Artikels des Nordatlantikvertrages auf das gesamte Territorium ausgeweitet werden, das noch unter der Kontrolle Kiews stehe.
Wie es heißt, verpflichtet dieser Artikel die NATO-Mitglieder, einen Angriff auf ein Mitgliedsland als Angriff auf alle zu betrachten. Johnson vertrat die Ansicht, dass gleichzeitig das "Recht" der Ukraine, verlorene Gebiete zurückzuerobern, unterstützt werden könne. Für den ehemaligen Premierminister wäre ein solcher Schritt ein "entscheidendes Signal an den Kreml".
Daraufhin kommentierte Maria Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Johnsons Äußerungen mit den Worten, dies sei nichts anderes als eine Einladung an die NATO, sich direkt an einem bewaffneten Konflikt mit Russland zu beteiligen.
Weiter gab die ehemalige stellvertretende US-Außenministerin für politische Angelegenheiten, Victoria Nuland, in einem Interview im September indirekt zu, dass die Ukraine das Istanbuler Abkommen mit Russland aufgrund von Konsultationen mit den Amerikanern und Briten nicht abgeschlossen habe.
Im September erklärte Putin auf dem Weltwirtschaftsforum, wenn die Ukraine verhandeln wolle, sei Russland nicht dagegen, aber die Verhandlungen würden auf der Grundlage der in Istanbul getroffenen Vereinbarungen stattfinden.
Mehr zum Thema – "Ich liebte Russland": Das Wichtigste aus Boris Johnsons Memoiren über Putin, Selenskij und Krieg
Meist kommentiert