Thüringen: Entwurf für Koalitionsvertrag von CDU, BSW und SPD vorgestellt - Inhalte und Anmerkungen

Thüringen: Entwurf für Koalitionsvertrag von CDU, BSW und SPD vorgestellt - Inhalte und Anmerkungen

Georg Theis und Jürgen Meyer

IZ vom 23.11.2023

 

Als besonders positiv ist die klare Friedensformel im geplanten Koalitionsvertrag zu sehen.

Krieg und Frieden

Für die Bildung der Koalition war das Thema Krieg und Frieden wohl eines der heikelsten, zumal es sich nicht um ein originäres Landesthema handelt. In der vor Wochen bereits verhandelten Präambel zum Vertrag stand zunächst: «Wir erkennen aber auch an, dass viele Menschen in Thüringen die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen kritisch sehen bzw. ablehnen.»

BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht hatte den Kompromiss als faulen Kompromiss und schweren Fehler bezeichnet, da die friedenspolitischen Ziele und Positionen des BSW nur unvollständig aufgelistet und nicht explizit zum Regierungsprogramm erhoben worden. Stattdessen wollten CDU und SPD es ihrer Bundesspitze recht machen und sich womöglich auch eine Hintertür offen halten, gegen das BSW ihr eigenes Ding durchzuziehen, indem ein Passus eingefügt wurde, indem sich CDU und SPD zur Westbindung und Ukraineunterstützung zur vermeintlichen Verteidigung gegen den russischen Angriff und der Souveränität und territorialen Integrität bekannten und dem BSW der weitere Einsatz für kompromisslosen Frieden attestiert wurde.

Dieser Passus war für das BSW völlig inakzeptabel, woraufhin das BSW die Gespräche abbrach und mit endgültigem Abbruch, so wie in Sachsen, drohte, sollten CDU und SPD nicht bereit sein, über ein seriösen Kompromiss und eine klare Positionierung in der Friedensfrage nachzuverhandeln.  Das BSW konnte sich durchsetzen, der Passus wurde dahingehend geändert, dass klargestellt wird, dass die CDU in der Tradition der Westbindung steht, womit allerdings nicht das Vasallen- und Duckmäusertum gegenüber den USA und der NATO, sondern die Achse Deutschland-Frankreich gemeint ist. Und dass die SPD in Thüringen sich in der Tradition der Ost- und Entspannungspolitik Willy Brandts und Egon Bahrs sieht und diese wieder anknüpfen will. Nun steht im Europa-Kapitel des fertigen Vertrages, man erkenne an, dass viele Menschen die Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen »als eine fundamentale Veränderung der strategischen und militärischen Lage in Europa und Deutschland begreifen.« Und »Eine Stationierung und deren Verwendung ohne deutsche Mitsprache sehen wir kritisch.« 

Die künftigen Koalitionäre wollen und werden sich für Abrüstung, die strikte Einhaltung des Völkerrechts mit all seinen Bestandteilen, eine eurasische Friedensarchitektur durch gegenseitige Sicherheitsgarantien, Diplomatie sowie Neutralität und Blockfreiheit einsetzen. Es wird klargestellt, dass im Bund zwar unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der militärischen Unterstützung der Ukraine zwischen dem BSW einerseits und CDU und SPD andererseits gibt, aber in Thüringen ist man sich auch in der Frage untereinander absolut einig, dass diese, genauso wie die mögliche Stationierung von US-Raketen nur für weitere Eskalation sorgt, weshalb man jeglicher weiteren Verschärfung von Konflikten durch schwere Waffen und der Raketenstationierung eine klare Absage erteilt und sich durch breite Debatten und Stellungnahmen in der Öffentlichkeit sowie mit Bundesratsinitiativen gegen diese Pläne oder wenigstens für das Erreichen einer Volksabstimmung darüber mit aller Kraft einsetzen will. 

 

Seit Jahrzehnten fordern SPD und Linke die Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems aus preußischen Stände-Zeiten.

Es stammt aus einer Zeit in Deutschland, in denen die Kinder der Unterschicht in die Hautschule, die Kinder des Mittelstandes in die Realschule kamen und die Kinder des Großbürgertums das Privileg des Gymnasiums vorbehalten blieb.

Die Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems ist eine uralte Forderung von fortschrittlichen Parteien wie SPD und der Linkspartei.

So forderte beispielsweise vor 15 Jahren im Jahre 2009 Andrea Nahles als Expertin des SPD-Fortschritt-Teams die Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems. Auch die Parteizentrale der Linkspartei unterstützte diese Forderung der Bundes-SPD schon damals. 

 

Gemeinsame Schule für alle Kinder bis zur 10. Klasse ist die richtige Forderung

 

In der Bildungspolitik kann man die geplanten Reformen so zusammenfassen, dass man sich am skandinavischen Modell orientiert, das wiederum von der ehemaligen DDR übernommen wurde. So will man frühkindliche Bildung durch kostenlose Kitas, in denen der Schwerpunkt auf kognitives, musisches und soziales Lernen sowie Sprachentwicklung gelegt wird.

Ab 3 Jahren soll es einen verpflichtenden Deutschtest geben und, sollte dieser negativ ausfallen, ein Kita-Besuch verpflichtend werden. Ab 5 Jahren erfolgt erneut ein Sprachtest.

Bis zur Klasse 6, vor allem aber in der Grundschule will man jegliche Störungen und Ablenkungen im Unterricht durch ein Verbot von Handys, Smartphones und Tablets unterbinden.

Die Vermittlung von von Sprachkenntnissen, Sprachanwendung, Lesen, Textverständnis, Rechtschreibung und Grammatik und der Beherrschung der 4 Grundrechenarten soll endlich Schwerpunkt der Grundschulen werden. Sozialer Auslese, Kommerzialisierungstendenzen und einem Kastensystem will man durch gleiche Startchancen von Anfang durch längeres gemeinsames Lernen bis Klasse 10 begegnen. Man setzt also auf die Gemeinschaftsschule, in die alle Schularten integriert werden sollen, als Regelschule, auch wenn der Thüringer Schulfrieden nicht angetastet wird und man separat bestehende Sekundarschulen als Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien erhalten will.

Förderschulen für körperlich, geistig oder Lernbehinderte sowie psychisch Kranke und Autisten will man erhalten und ausbauen und zusätzlich Sozialbetreuer und Rückzugsmöglichkeiten für Pausen zwischendurch ermöglichen. Kleinere Klassen sollen es Lehrern ermöglichen jedes Kind individuell zu fördern. Und separate Klassen für Migranten und Deutschförderklassen für Kinder mit Lese- und Rechtschreibschwäche oder mangelndem Sprachverständnis wiederum einen reibungslosen Unterrichtsablauf ohne Überforderung der Einen und Unterforderung der Einen und ohne ein Absenken des Leistungsniveaus generell.

Dem Lehrermangel wird man sich aktiv entgegen stellen, die Eignung von Quereinsteigern genau prüfen, die Lehrerausbildung praxisorientierter gestalten, Erzieher auf Hochschulniveau ausbilden und den Lehrer wieder Lehr- und Erziehungsperson sein lassen, nicht nur Lernbegleiter. Experimenten, die von der rot-rot-grünen Regierung geplant und teilweise umgesetzt wurden, wie Inklusion, Schreiben wie du hörst und sprichst, die Abschaffung der verbundenen Handschrift, des Notensystems und Sitzenbleibens, keine Hausaufgaben, Früh- und Hypersexualisierung in Kita und Grundschule und Taschenrechner fürs kleine 1x1 und die Subtraktion, wird man beenden. Durch Üben, Wiederholen und Anwenden will man den Unterrichtsstoff festigen, ebenso durch mehr Klassenarbeiten, Tests und Deutschdiktate.

Unterrichtstage in der Produktion und Berufsvorbereitung durch Exkursionstage und Praktika in Betrieben wird man einführen, die Hortbetreuung mit Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfeangebot deutlich ausbauen und kostenlos machen, ebenso das Mittagessen in Kitas und Schulen. 

 

Statt irgendwelcher Rahmenrichtlinien soll es verbindliche und solide Lehr- und Stundenpläne geben und Schulbücher, die an die Lehrpläne angepasst sind. Der Schüler- und Studentenaustausch soll gefördert werden, auch zur Völkerverständigung. Das Studium soll generell jedem, der aufgrund von Abitur, beruflicher Qualifikation oder beruflichem Werdegang dafür geeignet ist offenstehen und kostenlos sein, bzw. bleiben. Studenten sollen ohne Überprüfung der Höhe des Elterneinkommens und ohne Rückzahlungspflicht eine existenzsichernde Absicherung erhalten. Bei den Studiengängen wird der Fokus auf die MINT-Fächer gelegt (Maschinen- und Anlagenbau-, Ingenieurswesen, Naturwissenschaften und Technik). 

 

Wirtschaftskraft durch starken Mittelstand statt Bürokratiemonster und verfehlte Energiepolitik

 

Durch Bürokratieabbau durch die Abschaffung unnötiger Dokumentations-, Anmelde- und Meldevorschriften, der Überwindung der Zwangsmitgliedschaft in Kammern und ihrer horrenden Beiträge, eine solide Bildungs- und Gesundheitspolitik, eine intakte Infrastruktur, gezielte Förderprogramme und ein Bündel von Maßnahmen, um Anreize für die Gründung und Ansiedlung von Unternehmen sowie deren Investitionen in neue und innovative Produkte und Dienstleistungen und neue Arbeitsplätze, will man den Thüringer Wirtschaftsstandort erhalten, ausbauen und zukunftsfähig machen, ebenso durch billige Energie durch die Wiederaufnahme der Verträge mit unseren zuverlässigsten und billigsten Rohstoff- und Energielieferanten. 

 

Soziales, Familie und Gesundheit

 

In der Familienpolitik ist man sich unter den 3 Koalitionären einig, dass man Familien schon bei ihrer Gründung finanziell unterstützen muss, um Anreize für die besagte Gründung zu schaffen, Familien finanziell absichern, Beruf und Familie vereinbar machen und die Erziehungsleistung anerkennen und honorieren muss, beispielsweise durch Rückerstattung der Sozialbeiträge und durch zusätzliche Gelder bei der Rente. 

 

Mietwucher und Wohnungsnot wird man durch entsprechende Regularien, Sozialen Wohnungsbau und Wohnungsgenossenschaften und Unterstützungsmaßnahmen des Landes begegnen. 

 

Im Gesundheitswesen will man, dass staatliche Krankenhäuser erhalten bleiben und nicht geschlossen werden. Gesundheit darf nicht dem Profitinteresse untergeordnet werden. Gesundheitsfürsorge muss auch dann gewährleistet werden, wenn sie sich ökonomisch nicht rechnet. Privatkliniken sollen nur als zusätzliches Angebot zulässig sein, ansonsten, gerade dort, wo die medizinische Grundversorgung nicht oder nicht mehr gewährleistet ist, in öffentliches oder genossenschaftliches Eigentum überführt werden, ebenso sämtliche Kliniken, bei denen Über- oder Unterkapazitäten vorherrschen. 

Richtig ist daher der Ansatz der geplanten Krankenhausreform, die ambulanten Arztpraxen und Fachärzte auf dem Lande in die Krankenhäuser zu integrieren, also zum Poliklinik-Modell zurückzukehren und Hausärzte durch eine Wiederbelebung des Gemeindeschwesterprogramms zu entlasten und zu unterstützen. 

 

Hausärzte und bestimmte Fachärzte sowie Apotheken sollen nicht weiter als 20 Minuten Fahrtzeit vom Wohnort entfernt liegen. Dafür wollen CDU, BSW und SPD mehr Ärztinnen und Ärzte sowie Fachkräfte im Gesundheitsbereich gewinnen. Es soll zudem mehr Studienplätze geben.

In der Pflege wollen die drei Parteien eine Online-Terminvermittlungsstelle für Kurzzeit- und Verhinderungspflege- sowie Langzeitpflegeplätze einrichten.

Auf Bundesebene strebt die Koalition deutliche Verbesserungen für Menschen mit niedrigen Renten an, durch eine Mindestrente von mindestens 1250 €, die Erhöhung des Rentenniveaus auf 53 % und ab 40 Beitragsjahren auf 80%. Außerdem sollen Renten steuerfrei gestellt werden, bei zusätzlichen Einkünften wenigstens bis 2.000 €

Mit Landesmitteln will man Armutsrentner unterstützen, auch sollen ein Weihnachts- und Urlaubsgeld eingeführt werden. 

 

Corona soll durch einen Untersuchungsausschuss konsequent aufgearbeitet werden und ein Amnestiegesetz, das Bußgeldverfahren einstellt und die Rückzahlung von Bußgeldern wegen Maßnahmenverstößen ebenso beinhaltet wie die Rehabilitation und Entschädigung für berufliche und staatliche Repressionen wegen Vertößen gegen Maßnahmen oder Kritik an Maßnahmen und ,,Impfungen". 

 

Migration

 

In der Asyl-, Flüchtlings- und Migrationspolitik orientiert man sich am restriktiven dänischen Modell. 

CDU, BSW und SPD wollen nicht weniger als einen grundlegenden Richtungswechsel zu Ordnung und Vernunft, den Kontrollverlust will man überwinden. 

 

»Wer keinen Schutzgrund hat, über seine Identität täuscht oder sich nicht an Regeln hält, insbesondere Straftaten begeht, muss unser Land wieder verlassen«, heißt es im Entwurf des Koalitionsvertrags. 

 

Unverzügliche Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber, vor allem aber Krimineller, Gewalt- und Sexualstraftäter sowie Extremisten und Terroristen sind also ein wichtiger Scherpunkt der neuen Landesregierung. Straftäter sollen darüber hinaus mit einer lebenslangen Wiedereinreisesperre belegt werden. 

 

 

Die Migration wird strikt begrenzt, reguliert und an Bedingungen (Beherrschen der deutschen Sprache, berufliche Qualifikationen, Kultur und Rechtsordnung kennen und akzeptieren, Nachweis der Bemühung aus eigener Kraft den Lebensunterhalt zu bestreiten) geknüpft. 

 

In strukturschwachen Regionen soll es einen generellen Aufnahmestopp für Asylbewerber und Migranten geben, um die Konkurrenz um Arbeit, Wohnung, Kita- und Schulplätze zu entspannen, nicht zu verschärfen. 

 

Die Hilfe für Flüchtlinge soll hauptsächlich vor Ort in sicheren Gegenden oder Nachbarländern erfolgen. Asyl soll nur nach erfolgreichen Asylverfahren und bei Vorlage gültiger Papiere wahrhaft politisch Verfolgten für die Dauer des Asylgrunds gewährt werden.

Die Asylzahlen will man drastisch reduzieren, indem vorrangig UN-Asylzentren vor Ort und Botschaftsasyl gesetzt wird. 

 

Dublin III und die Drittstaatenregel werden wieder angewandt, Asyl und Migration werden strikt getrennt. 

 

Strenge Kontrolle und Umwandlung des Verfassungsschutzes 
 
Der Verfassungsschutz soll in eine Dokumentations- und Strategiestelle umgewandelt werden, die sich auf echten Extremismus und Terrorismus konzentriert und streng vom Innenministerium und Parlament überwacht. Auf Druck des BSW setzt man künftig klare Grenzen, damit Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit geschützt bleibt.

 

 

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