Von Andrei Restschikow und Roman Krezul
Am Donnerstag gab der russische Präsident Wladimir Putin auf dem Gipfeltreffen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) in Astana neue technische Einzelheiten zu Russlands neuester nichtnuklearer ballistischer Rakete Oreschnik preis. "Wir waren zu einem Probeeinsatz unter Gefechtsbedingungen gezwungen – und zwar, wie ich bereits sagte, als Gegenmaßnahme zu den mit ATACMS- und Storm-Shadow-Raketen durchgeführten Angriffen auf die Gebiete Brjansk und Kursk", rief der Staatschef in Erinnerung.
Auf Wunsch der Sitzungsteilnehmer erläuterte Putin die Besonderheiten der Funktionsweise von Oreschnik. Ihm zufolge greifen Dutzende von selbstgesteuerten Sprengköpfen das Ziel mit einer Geschwindigkeit von Mach 10 an, was etwa drei Kilometern pro Sekunde entspricht. Die Temperatur des Sprengkopfs erhitze sich im Inneren bis auf viertausend Grad. "Wenn ich mich recht erinnere, liegt die Temperatur auf der Sonnenoberfläche bei fünfeinhalb- bis sechstausend Grad. Im Epizentrum der Explosion zerfällt also alles in Bruchstücke, in Elementarteilchen, ja in Staub. Die Rakete trifft sogar sehr geschützte und tief liegende unterirdische Anlagen", teilte Putin mit.
Der Präsident verwies auf Schätzungen von Militär- und Technikexperten, wonach im Falle eines massiven Einsatzes von "Oreschnik – bei dem es sich um eine Reihe von Schlägen in einem einzigen Schlag handelt – dessen Wirkung mit dem Atomwaffeneinsatz vergleichbar wäre". "Eine Massenvernichtungswaffe ist Oreschnik freilich nicht. Zum einen handelt es sich um eine Präzisionswaffe – das hat der Test am 21. November bestätigt – und zum anderen, und das ist das Wichtigste, enthält sie keine nukleare Ladung und damit auch keine nukleare Verseuchung nach ihrem Einsatz", fügte Putin hinzu.
Nach Angaben des Staatschefs verfügt Russland heute über "mehrere einsatzbereite Objekte dieser Art". "Und natürlich werden wir, wie bereits gesagt, auf die andauernden Angriffe auf russisches Territorium durch Langstreckenraketen westlicher Herkunft reagieren, einschließlich der eventuellen Fortsetzung des Oreschnik-Probeeinsatzes unter Gefechtsbedingungen, wie es am 21. November geschehen ist", sagte Putin.
Derzeit werden vom russischen Verteidigungsministerium und dem Generalstab der russischen Streitkräfte Ziele ausgewählt, die auf dem ukrainischen Territorium getroffen werden sollen. "Das könnten militärische Einrichtungen, Rüstungsindustrieunternehmen oder Entscheidungszentren in Kiew sein. Zumal das Kiewer Regime wiederholt versucht hat, Ziele von Staatsbedeutung in Russland – in St. Petersburg und Moskau – anzugreifen. Und diese Versuche gehen weiter", so der Staatschef.
Putin kündigte auch den Beginn der Serienproduktion von Oreschnik an. "Aber letztendlich werden die Bekämpfungsmittel von uns in Abhängigkeit von der Art der zur Bekämpfung ausgewählten Ziele und der für die Russische Föderation bestehenden Bedrohungen ausgewählt", versicherte der Präsident.
Zur Erinnerung: Im Rahmen des Oreschnik-Probeeinsatzes unter realen Gefechtsbedingungen wurde als Ziel einer der größten und seit den Zeiten der UdSSR bekannten Industriekomplexe für die Herstellung von Raketenausrüstung Juschmasch auf dem Territorium von Dnjepropetrowsk ausgewählt.
Bei einem Treffen mit Journalisten im Anschluss an das Gipfeltreffen verglich Putin die Schlagkraft einer Oreschnik-Rakete mit der Wucht eines Meteoriteneinschlags, der einen Krater in der Größe eines Sees hinterlassen könne. Er betonte, dass der Aspekt des Probeeinsatzes dieser Rakete auf die Verbesserung der Waffenparameter abziele, insbesondere auf die Bewältigung des Auswahlproblems "zwischen Tragfähigkeit und Reichweite".
Auf Nachfrage nach dem Zeitpunkt der Oreschnik-Schläge auf ukrainische Entscheidungszentren antwortete Putin, dass "heute im Tagesverlauf alles möglich ist". "Wissen Sie, zu Sowjetzeiten gab es so einen Witz über Wettervorhersagen. Die Vorhersage lautete: 'Heute im Tagesverlauf ist alles möglich'", scherzte das Staatsoberhaupt bei einer Pressekonferenz.
Der weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko sagte nach der Sitzung, er habe mit Putin scherzhaft über die eventuelle Stationierung von Oreschnik in Weißrussland gesprochen. Lukaschenko bezeichnete die Rakete selbst als eine mächtige, wenn auch nicht Nuklearwaffe. Ihm zufolge erzielte die Demonstration dieses Raketensystems eine große Resonanz in der Weltgemeinschaft.
Die US-Medien berichten über die mit Nuklearwaffen vergleichbare Zerstörungskraft und Präzision des Kinetiksystems von Oreschnik sowie darüber, dass diese neue russische Waffe zu einem Faktor der Globalstrategie geworden ist. So schreibt Strategic Culture über die mögliche Veränderung des weltweiten Kräfteverhältnisses dank der Oreschnik-Rakete. Laut dieser Publikation unterschätzt der Westen – einschließlich der USA und der NATO – trotz der Warnungen Moskaus die potenzielle Bedrohung durch diese Waffe. Nach Expertenmeinungen deuten die Äußerungen Putins in Astana auf den Beginn einer neuen Phase des Ukraine-Konflikts hin.
"Es gibt keine Warnung mehr in Putins Worten, hier gilt das Protokoll. Sollten Schläge auf unserem Territorium erfolgen – und das geschieht bereits –, wird es eine Gegenreaktion geben. Wann und in welchem Umfang – das bestimmt die russische Militärführung", sagt der Politologe Alexei Muchin, Leiter des Zentrums für Politikinformation.
"Russland hat bereits Oreschnik eingesetzt, und es ist offensichtlich, dass dies nicht der letzte Schlag war. Diese neue Bewaffnung sollte sich auf jeden Fall auf die Herren der ukrainischen Militärclique auswirken", so Pawel Danilin, Direktor des Zentrums für politische Analyse und Sozialforschung und Dozent an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation.
"Die Reaktion Kiews auf Putins Warnung ist unvorhersehbar", so Muchin. "Einerseits werden Entscheidungen in Kiew nicht unabhängig getroffen, andererseits erfolgen sie mitunter spontan, sodass die Ukrainer ihren westlichen Kuratoren immer wieder angehängt haben." Danilin zweifelt auch an der adäquaten Reaktion Kiews auf die neue Warnung. "Man braucht eine Reaktion aus dem Pentagon, dem Weißen Haus, das sich jetzt in einem Zustand der 'Ohnmacht' befindet. Daher wäre es verfrüht, über eine mögliche Reaktion zu sprechen", meint er.
Nach Ansicht von Militärexperten war es jedoch kein Zufall, dass Putin diese Warnung auf dem OVKS-Gipfeltreffen aussprach. Laut dem Analysten Alexei Anpilogow hängt dies auch mit der Frage der Verpflichtungen Russlands gegenüber seinen Verbündeten zusammen: Von Moskau wird nun die Gegenreaktion auf die jüngsten Eskalationsschritte des Westens erwartet. "Und dies ist die letzte Warnung. Sollte es keine adäquate Reaktion erfolgen, wird es nicht nur einen einzigen Schlag geben, sondern mehrere Schläge mit neuen Waffen.
Neben dem Oreschnik-Einsatz werden vielleicht auch andere neue Militärentwicklungen demonstriert werden, die es Russland ohne Überschreitung der Schwelle zur nuklearen Abschreckung ermöglichen, jedem Aggressor unsere Verhandlungs- und Verteidigungsposition klar und deutlich zu vermitteln", so der Experte. Nach Ansicht des Gesprächspartners wird Putins Warnung Wirkung zeigen.
"Im Westen hat eine ernsthafte Diskussion über die Eskalationsspirale begonnen, in die die westlichen Länder durch ihre abenteuerliche Politik ganz bewusst hineingeraten sind. Wie sich herausgestellt hat, verfügt Russland über Abschreckungsmöglichkeiten, die recht effektiv sind, aber nichts mit Massenvernichtungswaffen zu tun haben", erklärt er. Anpilogow weist darauf hin, dass solche Waffen durch keine Konvention verboten sind. Es handele sich nicht um eine Massenvernichtungswaffe, sondern um eine Hochpräzisionswaffe. Ihr Einsatz werde keine internationale Verurteilung nach sich ziehen, wie dies beispielsweise beim Einsatz von Atomwaffen der Fall wäre.
"Eine solche von Russland vorgefundene Reaktion kann als Trumpf bei der Vorbereitung einer Verhandlungsposition dienen", erklärt er. Was die möglichen Ziele des russischen Militärs angeht, so könnte es sich seiner Meinung nach um Militärhauptquartiere, Militär- und Regierungskommunikationsknoten sowie Kommandozentralen auf verschiedenen Ebenen handeln, darunter auch in Kiew.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 28. November 2024 zuerst bei der Zeitung Wsgljad erschienen.
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