Nach Gefangenenaustausch: Generalbundesanwalt ermittelt gegen Rico Krieger

Es war eine dramatische Geschichte des ausgehenden Sommers schlechthin. Der Rettungssanitäter Rico Krieger, der seit November in weißrussischer Haft saß, wurde am 24. Juni wegen Spionage und Terrorismus zum Tode verurteilt. Er hatte Angst vor dem Tod, weinte vor der Kamera und bat den Präsidenten Alexander Lukaschenko um Vergebung und Begnadigung. Zudem flehte der 30-Jährige die deutschen Behörden an, sich mehr für ihn einzusetzen. "Die Regierung sollte um mich kämpfen", kritisierte er. Nur wenige Tage später wurde er tatsächlich begnadigt und kam im Zuge eines Häftlingsaustausches zwischen Russland und dem Westen frei. In Berlin hat Kanzler Olaf Scholz neben anderen Freigelassenen auch ihn persönlich mit einem Handschlag begrüßt. 

Nun, ist bekannt geworden, dass auch in Deutschland gegen Krieger ermittelt wird. Die Anschuldigungen wiegen schwer und sind politisch brisant, berichtete am Freitag die Welt am Sonntag. Der Vorwurf, auch hier: das Herbeiführen einer Sprengstoff-Explosion, strafbar gemäß Paragraf 308 des Strafgesetzbuches. Nach Welt-Informationen hatte sich das weißrussische Komitee für Staatssicherheit am 27. November 2023 mit einem Rechtshilfeersuchen an die deutschen Behörden gewandt.

Der Vorfall zeigt einen seltenen Fall der Kooperation zwischen deutschen Behörden und Weißrussland, das als Diktatur bezeichnet und ebenso wie Russland unter EU-Sanktionen steht. So kam das Bundeskriminalamt gemäß einem Vermerk von April 2024 zu dem gleichen Ergebnis wie die Behörden in Weißrussland und berief sich dabei auch auf Gespräche deutscher Diplomaten mit Krieger, die in Anwesenheit von KGB-Mitarbeitern während Kriegers Inhaftierung geführt worden waren.

Die Generalbundesanwaltschaft verdächtigt den Deutschen, sich für einen Einsatz beim Kastus-Kalinouski-Regiment in der Ukraine beworben zu haben – als Sanitäter, Drohnenpilot oder Kfz-Mechatroniker. Diese ultranationalistische Freiwilligen-Truppe unterstützt Kiew im Kampf gegen Russland. Auf sein Angebot habe aber nicht das Regiment reagiert, sondern der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU. So sagte es Krieger selbst während der Haft aus. Er sei gebeten worden, nach Minsk zu reisen, dort würde die Vorbereitung auf den Kriegseinsatz stattfinden.

Angekommen in Weißrussland, sei er vom SBU gebeten worden, Fotos von Militärfahrzeugen und von einer Laderampe zu machen. Dann habe man ihn in ein Waldstück geschickt, um einen Rucksack abzuholen und diesen an Bahngleisen zu platzieren. Das habe er gemacht und sei in der Nacht darauf festgenommen worden.

Für die Welt klingt diese Geschichte allerdings "wie erfunden", viel eher als "Vorwand", um Krieger zu verurteilen. Nun bestätigte auch Krieger selbst im Gespräch mit der Zeitung, dass es sich genauso zugetragen hat. Mit einer Ausnahme – entgegen früheren Aussagen, habe er nicht gewusst, dass sich im Rucksack Sprengstoff befand. Er behauptet nun, dass er keine Explosion herbeigeführt habe und auch nichts darüber wisse. Er sei unschuldig.

Zurück auf deutschem Boden bleibt Krieger der Meinung, dass er von der Ukraine für initiierte Sabotage-Aktionen gegen den russischen Verbündeten Weißrussland benutzt werden könnte. Im Interview für das weißrussische Fernsehen sagte er, dass laut deutschen Medien der SBU ein vertrauenswürdiger Akteur sei. Er hält es für möglich, dass er in eine von weißrussischen Geheimdiensten gestellte Falle geraten sei. Auf die Frage, warum er überhaupt seinen Job in Salzgitter aufgab und in die Ukraine wollte, erklärte Krieger, dass er dort Leben retten wollte – "man braucht dort helfende Hände."

Noch am Tag von Kriegers Freilassung wurde die Wohnung seiner Lebensgefährtin durchsucht. Kriegers Annahme, hereingelegt worden zu sein, stehe einem Anfangsverdacht nicht im Wege, heißt es aus Ermittlerkreisen. Der Fall habe auch angesichts der angeblichen Involvierung des ukrainischen Geheimdienstes "eine besondere politische Dimension" – und sei deswegen beim Generalbundesanwalt als oberster Strafverfolgungsbehörde der Bundesrepublik anhängig.

Die vorgeworfene Durchführung eines Anschlags im Auftrag eines fremden Nachrichtendienstes stelle eine erhebliche Souveränitätsverletzung dar, heißt es in einem Gerichtsdokument. Die Tat sei geeignet, die Sicherheitsinteressen von Weißrussland schwerwiegend zu stören. Wenn deutsche Bürger im Auftrag anderer Geheimdienste Straftaten begehen, könne dies zudem die Reputation der Bundesrepublik stark beschädigen.

Mehr zum Thema – Zum Tode verurteilter Deutscher: Minsk berichtet über Konsultationen mit Berlin

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