Von Pierre Lévy
Für sie war es ein Schock. Die europäischen Führer, die am 7. und 8. November in Budapest zu zwei aufeinanderfolgenden Gipfeltreffen zusammenkamen, hatten gerade erfahren, dass Donald Trump die US-Wahlen am 5. November gewonnen hatte. Die meisten von ihnen hatten Mühe, ihre Verwirrung, ihre Fassungslosigkeit und sogar ihre Angst zu verbergen.
Sicherlich war dieses Ereignis nicht unvorhersehbar. Aber das Ausmaß des Triumphs des republikanischen Kandidaten, der seine Rivalin um fünf Millionen Stimmen übertraf, und die Mehrheit, die er darüber hinaus in beiden Kammern des Parlaments eroberte, haben ein Szenario gezeichnet, das ihre schlimmsten Albträume übertraf.
Ab Januar nächsten Jahres wird also ein Mann im Weißen Haus sitzen, der noch mehr als im Jahr 2016 damit droht, die westlichen Führer und ihre Ideologie auf dem falschen Fuß zu erwischen. Das gilt unter anderem für die Rolle und Zukunft der NATO, für die Haltung zu Umwelt und Klima sowie für den wirtschaftlichen und politischen Liberalismus. Kurzfristig verursachen zwei Dossiers kalten Schweiß in den europäischen Hauptstädten: die massive Militärhilfe für Kiew, die Trump angekündigt hat, beenden zu wollen; und der Handelskrieg, den dieser nicht nur gegenüber China, sondern auch gegenüber der EU führen will.
Auch wenn der künftige Präsident teilweise unberechenbar ist, so ist es kaum wahrscheinlich, dass er diese beiden Absichten aufgeben wird, es sei denn, er will als schwach dastehen – was nicht gerade seine Art ist. Dies führte zu dem anonymen Kommentar eines hochrangigen Diplomaten in Brüssel:
"Wir sitzen in einem Boot, das einem gewaltigen Sturm ausgesetzt sein wird."
Einer seiner Kollegen, der von der Website Euractiv zitiert wurde, bestätigte dies auf seine Weise:
"Wir sind relativ ruhig und konzentriert und haben bis Januar Zeit, um uns so gut wie möglich vorzubereiten."
Die bittere Ironie: Der Gastgeber der beiden Gipfel war kein anderer als der ungarische Premierminister. Viktor Orbán war der einzige unter seinen EU-Kollegen, der offen eine gegenteilige Meinung vertrat: Er hatte verkündet, dass er die Champagnerflasche öffnen würde, wenn sein Freund Donald Trump die Präsidentschaftswahl gewinnt. In jüngster Zeit hatte er bereits vermehrt Dinge getan, die seine Amtskollegen als Provokationen empfanden, unter anderem bei seinen Treffen mit Wladimir Putin und Xi Jinping. Einige Tage vor dem Wahlsieg von Donald Trump brachte Orbán seine Kollegen sogar zur Weißglut, als er meinte, dass Europa, "wenn Amerika für den Frieden (in der Ukraine) ist, nicht weiter Krieg führen kann".
Am 7. November hatte er also den Vorsitz beim Gipfeltreffen der "Europäischen Politischen Gemeinschaft" (EPG) inne. Diese seltsame Institution, die 2022 auf Initiative des französischen Präsidenten ins Leben gerufen wurde, vereint 47 europäische Staaten, das heißt alle Länder des alten Kontinents, mit Ausnahme von Russland und Weißrussland, eine doppelte Ausnahme, die implizit ihren Geist definiert. Was ihre Daseinsberechtigung angeht, so scheint nur der französische Präsident von ihr überzeugt zu sein, selbst nach vier Gipfeltreffen seit ihrer Gründung.
Diesmal wiederholten zahlreiche Staats- und Regierungschefs – je nach Redner mehr oder weniger glaubwürdig – im Wesentlichen dieselbe Parole: Da die USA offenbar von ihrer atlantischen Verankerung abrücken wollen, bietet sich Europa hier die große Chance, seine "strategische Autonomie" zu stärken. Ein Thema, das der französische Europaminister Benjamin Haddad so zusammenfasste:
"Dies muss die Stunde des strategischen Erwachens der Europäer sein. … Es ist der beste Weg, um unser Schicksal in die Hand zu nehmen."
In der Rede vor seinen Amtskollegen am 7. November machte sich Emmanuel Macron mit seinem Plädoyer zum Vorreiter der "europäischen Souveränität". Und legte nach:
"Donald Trump wurde vom amerikanischen Volk gewählt und er wird das Interesse der Amerikaner verteidigen. … Sind wir bereit, das Interesse der Europäer zu verteidigen? "
In Bezug auf die Ukraine stellte der Herr des Élysée-Palasts klar: "Unser Interesse ist es, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt." Macron plädierte dafür, dass Europa "eine völlig unabhängige Macht" werden solle, und schloss mit folgendem Bild:
"Die Welt besteht aus Pflanzenfressern und Fleischfressern. Wenn wir uns entscheiden, Pflanzenfresser zu bleiben, werden die Fleischfresser gewinnen und wir werden ein Markt für sie sein."
Der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis polterte: "Es ist an der Zeit, dass wir aus unserer geopolitischen Naivität aufwachen und uns zusätzliche Mittel an die Hand geben, um (unsere) Wettbewerbs- und Verteidigungsprobleme zu lösen." Sein polnischer Amtskollege Donald Tusk forderte Europa auf, "endlich zu wachsen und an seine eigene Stärke zu glauben". Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, meinte gar: "Es ist eine Minute vor Mitternacht, wir müssen jetzt handeln."
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, wollte dem natürlich nicht nachstehen:
"Die Zukunft Europas liegt in unseren Händen, wir müssen jetzt handeln. … Kein Mitgliedstaat ist in der Lage, allein auf die globalen Herausforderungen zu reagieren."
Die europäischen Führer stehen jedoch vor einem doppelten Problem. Einerseits durchziehen Mahnungen wie "Wir müssen unser Schicksal selbst in die Hand nehmen, jetzt oder nie" seit Langem die offiziellen Reden. Das war zum Beispiel schon der Fall, als Donald Trump vor acht Jahren zum ersten Mal gewählt wurde. Eigentlich ist diese Tonlage noch viel älter. Schon bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden 1992 über den Vertrag von Maastricht riefen die Ja-Sager dazu auf, "ein von den USA unabhängiges Europa zu ermöglichen".
Andererseits setzt der Mythos eines "unabhängigen Europas" implizit voraus, dass die Interessen der Mitgliedsstaaten identisch oder zumindest konvergent sind. Dies ist nicht der Fall, weder in der Vergangenheit noch heute. Um nur eines von tausend Beispielen zu nennen: Selbst zwischen Frankreich und Deutschland sind die Wirtschaftsstrukturen so unterschiedlich (etwa das Gewicht der Exporte, der Industrie, der Landwirtschaft), dass sich Paris und Berlin in zahlreichen Fragen, etwa den Handelsbeziehungen mit China oder dem Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten, gegenüberstehen. Man könnte auch die politische Geschichte anführen, die auf beiden Seiten des Rheins zu einem unterschiedlichen Verständnis der transatlantischen Beziehungen geführt hat.
Beim zweiten Gipfeltreffen am 8. November handelte es sich um einen informellen Europäischen Rat, an dem also nur die 27 Staats- und Regierungschefs der EU teilnahmen. Diese hatten beschlossen, sich auf die "Wettbewerbsfähigkeit" des Blocks zu konzentrieren – ein Thema, das ihnen große Sorgen bereitet. Insbesondere seit Mario Draghi, der ehemalige italienische Ministerpräsident, im September einen Bericht zu diesem Thema vorgelegt hatte.
Der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank schlug Alarm: Der EU drohe eine "langsame Agonie", wenn nicht bald Reformen (beispielsweise in Bezug auf den Binnenmarkt, den Kapitalmarkt, die Energiepolitik oder regulatorische Auflagen) eingeleitet würden.
Das Treffen brachte eine "Budapester Erklärung" hervor, die als "neuer europäischer Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" bezeichnet wird und die Warnungen Draghis aufgreift und bestätigt. Aber auch hier werden die Interessengegensätze viele der Vorschläge des Berichterstatters blockieren, angefangen bei der Mobilisierung von 800 Milliarden Euro – einer gigantischen Summe – für Investitionen in den digitalen Sektor, die "grüne Transformation" und die Rüstungsindustrie.
Die 27 EU-Staaten haben die Europäische Kommission beauftragt, eine Reihe von "Road Maps" für diese Bereiche vorzulegen. Die Befürworter der europäischen Integration haben aber wirklich viel Pech. Sie stoßen nicht nur auf strukturelle Widersprüche, sondern die beiden größten EU-Länder sind derzeit auch mit interner politischer Instabilität konfrontiert. Die deutsche Regierung hat keine parlamentarische Mehrheit mehr; das Land steuert auf vorgezogene Neuwahlen zu. Und in Paris ist die Regierung durch ein beispielloses Chaos in der Nationalversammlung gelähmt; eine Situation, die den Staatschef erheblich schwächt. Man könnte hinzufügen, dass auch in Spanien, der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone, der Ministerpräsident kaum noch eine Mehrheit hat.
Im Gegensatz dazu verfügt die ungarische Regierung über eine sehr breite parlamentarische Unterstützung. Kein Grund zur Beruhigung für Brüssel.
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