"Beispielloser Präzedenzfall" – UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA erhält Arbeitsverbot seitens Israel

Die Mitglieder der Knesset, dem israelischen Parlament, stimmten mit 92:10 Stimmen für einen Gesetzesentwurf, der für das kommende Jahr vorsieht, dass das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA in Israel "weder direkt noch indirekt irgendeine Einrichtung betreiben, irgendeine Dienstleistung erbringen oder irgendeine Tätigkeit ausüben" wird. Eine UNRWA-Mitteilung erklärt, der Beschluss "widerspricht der UN-Charta und verstößt gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen des Staates Israel". 

Das israelische Parlament hat also einen Gesetzesentwurf gebilligt, nach dem das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA ab dem kommenden Jahr nicht mehr auf israelischem Staatsgebiet arbeiten darf und seine Arbeit damit in Israel einstellen muss. Da Israel die Grenzübergänge zum besetzten Gaza-Gebiet kontrolliert, wird damit eine Arbeit im Katastrophengebiet mutwillig und bewusst boykottiert.

Eine UNRWA-Mitteilung kommentiert den Vorgang mit der Feststellung:

"Dies ist die jüngste Maßnahme in der laufenden Kampagne zur Diskreditierung des UNRWA und zur Delegitimierung seiner Rolle bei der Bereitstellung von Entwicklungshilfe und Dienstleistungen für Palästina-Flüchtlinge. Diese Gesetzesentwürfe werden das Leiden der Palästinenser nur noch verschlimmern, insbesondere im Gazastreifen, wo die Menschen seit mehr als einem Jahr die Hölle durchmachen."

Der Knesset-Beschluss sieht zudem vor, die Organisation als "terroristische Vereinigung" einzustufen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres bezeichnete die Arbeit des UNRWA als "unverzichtbar" und sagte, es gebe "keine Alternative" zu diesem Hilfswerk. Er forderte daher die israelische Regierung auf, "seinen Verpflichtungen aus der Charta der Vereinten Nationen und seinen anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen".

Der Leiter des UNRWA, Philippe Lazzarini, erklärte nach Bekanntwerden, dass der Knessetbeschluss einen "gefährlichen Präzedenzfall" darstelle, da er "gegen die UN-Charta und die völkerrechtlichen Verpflichtungen des Staates Israel verstößt". Diese Gesetzesentwürfe vergrößern laut Lazzarini "das Leiden der Palästinenser und sind nichts anderes als eine kollektive Bestrafung".

Die Beendigung des UNRWA und seiner Dienste wird den Palästinensern ihren Flüchtlingsstatus nicht entziehen. Dieser Status ist durch eine weitere Resolution der UN-Generalversammlung geschützt, bis eine gerechte und dauerhafte Lösung für die Notlage der Palästinenser gefunden ist.

"Es ist empörend, dass ein Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen daran arbeitet, eine UN-Behörde zu zerlegen, die zufällig auch der größte Helfer bei dem humanitären Einsatz im Gazastreifen ist", so die UNRWA-Sprecherin Juliette Touma gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.  

Der geplante Gesetzesentwurf gilt dabei nur für den Ostteil Jerusalems, den Israel als sein Hoheitsgebiet beansprucht. Aus diesen Gründen verabschiedete die Knesset mit 87 zu 9 Stimmen einen zweiten Gesetzentwurf, der den Vertrag von 1967 zwischen Israel und dem UNRWA aufhob, der es dem Hilfswerk zudem erlaubte, auf israelisch kontrolliertem Gebiet zu arbeiten. Der zweite Gesetzentwurf verbietet allen israelischen Regierungsstellen oder -vertretern ab 90 Tagen nach seiner Verabschiedung, mit dem UNRWA in Kontakt zu treten.

Alle arabischen Mitglieder der Knesset sowie die oppositionelle Demokratische Partei stimmten gegen den weitreichenden Gesetzentwurf. Der Abgeordnete Ahmad Tibi von der Hadash-Ta'al-Partei wies darauf hin, dass rund 90.000 UNRWA-Mitarbeiter palästinensische Flüchtlinge versorgen und dass das Hilfswerk erst dann geschlossen werden sollte, wenn ein unabhängiger palästinensischer Staat gegründet wird.

Kanada, Australien, Frankreich, Deutschland, Japan, Südkorea und das Vereinigte Königreich haben Israel aufgefordert, das UNRWA nicht zu schließen, und dabei erneut ihre "große Besorgnis" über die humanitäre Lage in Gaza zum Ausdruck gebracht. Washington hat demnach Israel mitgeteilt, dass die Einstellung der Hilfe für die Palästinenser einen Teil der US-Militärhilfe für Israel in Frage stellen könnte.

Die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, Luise Amtsberg, forderte in einer ersten Reaktion die israelische Regierung dazu auf, das UNRWA sein Mandat weiterhin ausführen zu lassen. "Wenn die Gesetze in dieser Form von der israelischen Regierung umgesetzt würden, würde das die Arbeit von UNRWA in Gaza, im Westjordanland und in Ostjerusalem faktisch unmöglich machen", teilte Amtsberg laut dpa in einer Erklärung des Auswärtigen Amtes mit.

Mehr zum Thema - Noch einmal zurück zum 7. Oktober 

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