Trump statt Harris ‒ die unwillkommene Chance

Von Dagmar Henn

Wenn man derzeit in die deutsche Presse blickt, findet man wieder eine extreme Einheitlichkeit, und eine überdeutliche Parteinahme, die selbst die Wahl der Verben bestimmt ‒ der republikanische Kandidat Trump "lügt" und "fabuliert", während Kamala Harris "verspricht" ‒ in diesem Fall bei Euronews heißt es dann, Harris wolle "ein Jahrzehnt der von Angst und Spaltung geprägten Politik hinter sich lassen".

Die Verve, mit der seit Monaten ein möglicher Wahlsieg von Donald Trump als Ende der westlichen Demokratie verschrien und die begrenzt kompetente, auf die Spitzenposition geputschte demokratische Kandidatin gepriesen wird, ist im Vergleich mit der früher üblichen deutschen Berichterstattung über US-Wahlen sehr ungewöhnlich. Man muss sich jedenfalls keine Gedanken über die Präferenzen der deutschen Leitmedien machen. Und jetzt, unmittelbar vor der Wahl, beherrscht ein Thema die Berichte: "Trump spricht von Wahlbetrug".

Der Deutschlandfunk beispielsweise hält sich bis heute brav an die Erzählung der US-Demokraten zum 6. Januar 2021:

"Er stachelte seine Anhänger mit Hetze und Lügen dazu auf, am Tag der Bestätigung der US-Wahl durch den US-Kongress das Kapitol in der Hauptstadt zu stürmen. Mehrere Menschen starben bei den schweren Ausschreitungen von Trumps Anhängern."

Da ist er wieder, der "Sturm auf das Kapitol", längst widerlegt, unter anderem durch stundenlange Videoaufzeichnungen aus den Überwachungskameras. Egal. Der Deutschlandfunk ist auch sonst nicht schlecht, was sein Demokratieverständnis angeht:

"Nach der Wahl 2020 haben sich Trump-Unterstützer auf den Aufbau lokaler Netzwerke konzentriert, die gezielt Trump-Anhänger in Wahlausschüsse vor Ort gewählt haben und gegen lokale Wahlbeamte vorgehen, die ihre Ansichten nicht teilen."

Abgesehen davon, dass für die letzte Aussage jeder Beleg fehlt ‒ wenn ohnehin die Wahlen weitgehend zwischen zwei Parteien ausgetragen werden, wäre es doch normales demokratisches Prinzip, dass beide Parteien am Prozess der Wahlauszählung beteiligt sind, oder? Es heißt auch nur, sie hätten Anhänger hineingewählt und nicht, sie hätten die Wahlausschüsse komplett übernommen ‒ das sollte kein Problem darstellen.

Aber wenn man eines festhalten kann, dann, dass zu der Frage eines möglichen Wahlbetrugs, die Trump aufgeworfen hat, keinerlei reale Information geliefert wird. Man kann zwar irgendwelche Aussagen über viele verschiedene US-Bundesstaaten lesen, aber es wird nie dargestellt, worin sich das Wahlsystem in den USA vom deutschen unterscheidet. Diese Unterschiede darzustellen, wäre aber die erste Voraussetzung dafür, dass die Leser sich ein eigenes Bild machen könnten.

Nur ganz kurz: Der Ablauf der Wahlen, auch der Präsidentschaftswahlen, ist Landes-, nicht Bundesrecht. Weshalb sich die einzelnen Staaten der USA darin sehr unterscheiden. Es gibt keine Personalausweise und keine Meldepflicht. Als Ersatz dafür dienen im Alltag Sozialversicherungsnummer und Führerschein. Wählerlisten, wie wir sie aus Deutschland kennen, sind daher gar nicht erstellbar. Und insbesondere demokratisch regierte Bundesstaaten handhaben die Überprüfung, ob jemand, der ins Wahllokal kommt, tatsächlich wahlberechtigt ist, sehr locker und verlangen teils nicht einmal die Vorlage eines der beiden oben erwähnten Dokumente, die zumindest die Staatsbürgerschaft belegen könnten.

Bei den Auseinandersetzungen um die Wahl 2020 ging es außerdem um den ungewöhnlich hohen Anteil von Briefwahlstimmen, der die Folge der Corona-Maßnahmen war (die ebenfalls von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich waren). Briefwahlen sind, das ist Allgemeinwissen, leichter zu fälschen; unter anderem eben, weil es keine Kontrolle darüber gibt, wer nun tatsächlich den Stimmzettel ausgefüllt hat.

Das sind alles sehr reale Probleme, und es ist ebenfalls eine sehr reale Frage, ob nicht die acht Millionen Einwanderer im Verlauf der letzten Jahre gerade in den Bundesstaaten, die die Wahlberechtigung nicht genauer überprüfen, ein ihnen nicht zustehendes Gewicht haben.

Der "normale" Umgang mit diesen Fragen wäre, sie offen zu diskutieren. Die "normale" Berichterstattung darüber wäre, zu erwähnen, wo die kritischen Punkte liegen. Tatsächlich schreibt man in Deutschland lieber über Trumps "Lügen" und proklamiert entweder offen oder etwas subtiler die eigenen Wünsche mit hinein, gekoppelt mit einer (vor dem Hintergrund der realen Zensurpolitik der Biden-Regierung in den letzten Jahren unfreiwillig komischen) Dämonisierung von Trump, wie im Spiegel:

"Bei einer Rückkehr Trumps ins Weiße Haus befürchten viele seiner Kritiker, dass er die demokratische Grundordnung missachten und gegen seine politischen Gegner vorgehen könnte."

Der unheimliche Unterton dabei ist jedoch, dass es ein wenig so wirkt, als wolle man das deutsche Publikum schon einmal vorab auf einen wirklichen Wahlbetrug einstimmen. Schließlich werden auch vorzugsweise für Harris günstige Umfragen zitiert. Gleichzeitig wird eine weitere Methode, Wahlprognosen zu treffen, die sich erstaunlich gut bewährt hat, nicht nur ignoriert, sondern bestenfalls noch selbst zur Manipulation erklärt ‒ in den Wettbüros stehen die Zeichen klar auf einen Wahlsieg von Donald Trump. Aber wie schrieb die FAZ darüber vor zwei Tagen?

"Das spiegelt nicht die Realität wider. Das liegt vielmehr an windigen Milliardären, Kryptowährungen – und mutmaßlich auch an Russland oder China."

Letzten Endes ist jedoch die Frage, ob bei der Wahl wirklich betrogen wird oder nicht, viel weniger bedeutend als die Frage, ob die eine Seite es der anderen zutraut, zu betrügen. Und hier sind es die umfassende Informationskontrolle, die von den Harris unterstützenden Konzernen ausgeübt wird und die wahre Flut von Prozessen, mit denen Trump überzogen wurde, die selbst die Voraussetzungen dafür herstellen, dass die Anhänger von Trump der Gegenseite in diesen Wahlen schlicht jedes Verbrechen zutrauen. Die mangelnde Aufklärungsbereitschaft zu den Anschlagsversuchen auf Trump dürfte noch weiter dazu beigetragen haben. (Die Berliner Morgenpost jedenfalls titelte schon einmal "Droht den USA ein Bürgerkrieg?")

Nebenbei, im Verlauf der vergangenen vier Jahre gab es beträchtliche Binnenwanderung in den Vereinigten Staaten, ausgelöst unter anderem durch die Corona-Zwangsmaßnahmen, die in den demokratisch regierten Staaten deutlich schärfer waren als in den republikanischen (Harris' Vizekandidat Walz hatte in seinem Staat sogar extra eine Denunziationshotline für Lockdownverstöße eingerichtet). Diese Binnenwanderung könnte nun dafür sorgen, dass sich die Wähler deutlich stärker geografisch aufteilen, als das bisher der Fall war ‒ eine extrem ungünstige Entwicklung im Fall eines knappen Resultats. Aber warum sollte, was für Moldawien und Georgien gut ist, für die USA falsch sein?

In den USA selbst sind die illegale Einwanderung und die Wirtschaftslage die eigentlich entscheidenden Themen ‒ was in Deutschland so natürlich nicht offen berichtet werden kann, weil auch hier das Dogma lautet, illegale Einwanderung sei gut und der Wirtschaft gehe es blendend. Es bleibt also unklar, ob die Verzerrung in der Berichterstattung nur das Produkt eigener Vorlieben der Schreibenden oder nicht auch eines der eigenen Sprechverbote ist, die es unmöglich machen, wirklich zu benennen, was die Bevölkerung in den USA umtreibt.

Dass Kamala Harris als US-Präsidentin für die USA wie für die Welt schlicht mehr vom Gleichen bedeuten wird, und dass es unter ihr ebenso unklar wäre wie unter dem senilen Joe Biden, wer wirklich die Entscheidungen trifft und die Kontrolle über den roten Knopf hat, steht fest. Eine zweite Präsidentschaft Donald Trump jedoch gleicht eher einer Wundertüte. Auf der einen Seite hat er in seiner Wahlkampfmannschaft eine Reihe respektabler Persönlichkeiten versammelt, die mitnichten mit der Neocon-dominierten Außenpolitik der letzten Jahrzehnte auf Linie sind: Robert Kennedy Jr., Tulsi Gabbard, den Vizekandidaten J.D.Vance oder Douglas Macgregor. Das sind alles Leute, die genug Gegenwind widerstanden haben und selbst genug artikulierte Positionen vorgebracht haben, dass zumindest ein gewisser Grad an Verlässlichkeit erwartet werden kann ‒ und es, sollte sich diese Mannschaft in der Regierung wiederfinden, durchaus interessant werden könnte.

Allerdings ist das nicht garantiert, schließlich hängt nicht der Militärisch-Industrielle Komplex oder die US-Buchstabensuppe (ironische Bezeichnung für die vielen US-Geheimdienste, die alle mit drei Buchstaben abgekürzt werden) an Harris, sondern umgekehrt, und die erste Präsidentschaft Trump hatte mit ähnlichen Versprechungen begonnen, und mit Gruselfiguren aus dem Kabinett der Kriegstreiber wie John Bolton und Mike Pompeo geendet.

So schön es wäre, wenn Robert Kennedy Jr. den Pharmakonzernen das Handwerk legte und dafür sorgte, die ganze Corona-Geschichte aufzuklären, so mächtig sind die Gegner. Und auch wenn Donald Trump in seiner ersten Amtszeit zumindest einmal nachweislich sogar die europäischen Verbündeten ausgebremst hat, als Frankreich und Großbritannien Syrien bombardieren wollten und Trump sie nötigte, mehrere Tage zu warten, bis auch die USA ihre Schiffe vor Ort hätten (und letztlich dafür sorgte, dass kaum eine der abgeschossenen Raketen tatsächlich ein Ziel traf) ‒ zumindest seine Aussagen zu Israel lassen daran zweifeln, wie weit seine Bereitschaft zum Frieden wirklich geht.

Was wirklich benötigt würde, wäre eine US-Regierung, die das Imperium langsam und kontrolliert zurückfährt und die Binnenwirtschaft der USA so weit auf eigene Füße stellt, dass das Land für seine Bewohner funktioniert, ohne den Rest der Menschheit dafür auszuplündern. Es gab Momente, in denen schien Donald Trump dafür die geeignete Person zu sein. Harris ist es auf keinen Fall. Trump erweckt gelegentlich zumindest den Eindruck, die wirklichen Verhältnisse erfassen zu können und vielleicht wenigstens jenen Teil der US-Oligarchie zu vertreten, die sich bessere Chancen ausrechnen, wenn sie sich an neue globale Machtverhältnisse anpassen.

Die deutschen Statthalter jedenfalls sind gerade in Panik, denn sie haben sich in den letzten Jahren so vollständig der US-Politik verschrieben, dass selbst eine begrenzte Wende in Washington die verbliebenen Reste Glaubwürdigkeit kostet. Schon als Trump 2016 gewählt wurde, wurde nach Kräften versucht, so zu tun, als ginge alles weiter wie vorher. Angela Merkel wurde zur "Führerin der freien Welt" erklärt, wenn in Washington Unfug getrieben wurde, wie mit Venezuela, war man mit Eifer dabei, und ansonsten wurde der bereits in Vorbereitung befindliche Krieg in der Ukraine leise und unauffällig weiter vorangetrieben, in Erwartung, dass Trump auch wieder verschwinden würde. Jetzt ist das Spielzeug kaputt, und nichts wäre schlimmer, als dann alleine zwischen den Trümmern sitzen zu müssen.

Das, was an realen Politikern in Deutschland noch verblieben ist, müsste jedoch auf eine Wahl von Donald Trump hoffen. Denn die Forderungen, die er damals etwa bezogen auf die NATO stellte, lassen, auch wenn man das in Deutschland gern verschwieg, zwei Möglichkeiten, zu reagieren. Die Erste ist, sich zu unterwerfen und deutlich mehr Geld in die Aufrüstung zu stecken ‒ wie das die Ampel getan hat. Die Zweite ist, sich zu bedanken und den Anlass zu nutzen, um auf die NATO zu verzichten. Traurig nur, dass weder die deutsche Presse noch die deutsche Politik diese Chance auf eine souveräne Entscheidung als solche erkannt haben.

Nun, in den kommenden Tagen werden sich womöglich zwei Fragen parallel entscheiden. Die Ampelkoalition steht auf der Kippe, und in Washington findet entweder ein Wechsel statt, oder die USA sind in absehbarer Zeit vor allem mit sich selbst beschäftigt. Sicher, es gäbe immer noch die Option, dass im Falle einer eingestandenen Niederlage von Harris aus den Reihen der Neocons schnell noch ein regionaler Krieg im Nahen Osten gezündet wird, ehe Trump ins Weiße Haus einzieht. Aber vielleicht ist die Muse der Geschichte auch gewogen, Trump gewinnt und schafft es, zumindest einen Teil seiner Ankündigungen einzulösen, die Ampel raucht ab und die Deutschen hätten bei Neuwahlen ausnahmsweise die Chance, ein Stück Souveränität zurückzugewinnen. Schließlich ist da immer noch ein Strang von Nord Stream, mit dem sich der völlige ökonomische Absturz aufhalten ließe. Es werden spannende Tage.

Mehr zum Thema ‒ "Drei bis vier Monate" – Trump über möglichen Dritten Weltkrieg besorgt

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