Die neue Leiterin der europäischen Diplomatie, Kaja Kallas, und die EU-Kommissarin für Erweiterung, Marta Kos, haben in einem gemeinsamen Kommuniqué am Sonntag damit gedroht, dass die Maßnahmen der georgischen Behörden zur Beendigung der Unruhen "negative Folgen" für die Beziehungen Georgiens zur Europäischen Union haben würden.
"Das georgische Volk ist erneut auf die Straße gegangen, um sein Streben nach einer EU-Mitgliedschaft zu bekräftigen. Die EU verurteilt aufs Schärfste die Gewalt gegen friedliche Demonstranten, die sich entschieden für ihre europäische und demokratische Zukunft einsetzen. Dieses Vorgehen der georgischen Regierung wird direkte Auswirkungen auf unsere Beziehungen haben", heißt es in dem Dokument.
Die beiden EU-Kommissarinnen erinnerten Tiflis auch daran, dass die EU den Aufnahmeprozess Georgiens in die Gemeinschaft sowie die finanzielle Unterstützung ausgesetzt hat:
"Die EU bedauert die Erklärung von Irakli Kobachidse über die Entscheidung des georgischen Traums, die EU-Beitrittsverhandlungen nicht fortzusetzen und auf die finanzielle Unterstützung durch die EU bis 2028 zu verzichten. Wir stellen fest, dass diese Erklärung eine Abkehr von der Politik aller früheren georgischen Regierungen und von den europäischen Bestrebungen der überwältigenden Mehrheit des georgischen Volkes darstellt."
Woher die beiden Politikerinnen ihre Erkenntnisse über die Bestrebungen der "überwältigenden Mehrheit" des georgischen Volkes haben, wenn es kein Referendum dazu gegeben hat, und die Mehrheit der Georgier bei den jüngsten Wahlen für die Partei gestimmt hat, die jetzt durch die EU als "prorussisch" erklärt wird, geht aus dem Dokument nicht hervor.
Gleichzeitig heißt es darin, dass "die Tür zur EU offen bleibt und die Rückkehr Georgiens zu europäischen Werten und der Weg zur EU-Mitgliedschaft in den Händen der georgischen Führung liegt".
Das Vorgehen von Kallas und Kos sowie zahlreicher anderer westlicher Politiker erinnert stark an die Ereignisse auf dem Kiewer Euromaidan im Winter 2013/14. Auch damals hatten EU-Beamte und Politiker aus den EU-Mitgliedstaaten, darunter auch die damalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem damaligen demokratisch gewählten Präsidenten der Ukraine Wiktor Janukowitsch mit persönlichen Sanktionen gedroht, sollte er den schon frühzeitig gewalttätigen Euromaidan in Kiew polizeilich auflösen lassen. Diese Drohung erneuerten die Politiker, auch Angela Merkel, selbst dann noch, als die Ausschreitungen der Maidan-Radikalen Mitte Februar 2014 in der versuchten Erstürmung des ukrainischen Parlaments, Plünderung und Inbrandsetzung des Büros der regierenden Partei und der Ermordung eines technischen Mitarbeiters desselben durch Maidan-Anhänger gipfelten.
Nicht nötig zu erwähnen, dass in keiner europäischen Hauptstadt derartige Krawalle geduldet würden und jede Einmischung von Außen schroff zurückgewiesen worden wäre.
Auch die aktuellen Proteste in Tiflis sind alles andere als friedlich. Die sozialen Netzwerke und die Nachrichten lokaler TV-Sender sind voll von Aufnahmen von Stein- und Brandsatzwürfen auf die Polizei. Das Parlamentsgebäude wurde in der vergangenen Nacht durch die in westlichen Medien so bezeichneten "friedlichen Demonstranten" in Brand gesetzt. Eine aktuelle Aufnahme zeigt, wie die proeuropäischen Radikalen die Polizei mittels eines selbst gebauten Feuerwerkskörperwerfers massiv beschießen. Dutzende Polizeibeamte wurden in den vergangenen Tagen teils schwer verletzt.
Wie in Kiew haben die "friedlichen Demonstranten" auch in Tiflis die Parteizentrale der Regierungspartei gestürmt und in Brand gesetzt, wie die nachfolgenden Videoaufnahmen zeigen. Zum Glück kam dort – anders als damals in Kiew – niemand zu Schaden. Allerdings machen die Protestierenden aus ihren Mordgelüsten keinen Hehl: Sie verbrannten eine Puppe, die den Parteigründer Iwanischwili darstellen soll.
Die jüngsten Krawalle begannen in Georgien am Donnerstag, nachdem Premierminister Irakli Kobachidse die Entscheidung bekannt gegeben hatte, Verhandlungen über die EU-Mitgliedschaft des Landes bis 2028 auszusetzen. Am Samstag bewarfen die Demonstranten das Parlamentsgebäude mit Steinen, Flaschen und brennenden Gegenständen und legten ein Feuer, das bald gelöscht wurde. Der regierungsnahe georgische Fernsehsender Imedi TV veröffentlichte in der Nacht zum Sonntag Filmaufnahmen von der Zerstörung des georgischen Parlaments während der Aktion. Die Aufnahmen zeigen zerbrochene Fensterscheiben, beschädigte Infrastruktur, Möbel, Computer, Flaschen von Molotowcocktails und Feuerwerkskörper, die im Gebäude gefunden wurden.
Am 26. Oktober fanden in Georgien Parlamentswahlen statt. Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission erhielt die regierende Partei Georgischer Traum 53,93 Prozent der Stimmen. Vier Oppositionsparteien zogen ebenfalls ins Parlament ein und erhielten insgesamt 37,78 Prozent der Stimmen. Vertreter der Opposition erklärten, dass sie die Daten der Zentralen Wahlkommission nicht anerkennen. Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili, die die proeuropäische Opposition unterstützt, obwohl der Präsident laut Verfassung überparteilich sein muss, rief zu Protesten gegen die Wahlergebnisse auf und weigert sich, ihren Amtssitz zu räumen, obwohl ihre Amtszeit nach der georgischen Verfassung zu Ende ist.
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