Der türkische Oppositionspolitiker Ekrem Imamoğlu ist am Sonntag "vorübergehend" als Istanbuler Bürgermeister abgesetzt worden, wie das Innenministerium unter Absegnung des İmamoğlu-Rivalen und türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan mitteilte. Der inhaftierte, in Untersuchungshaft befindliche Politiker wurde dennoch am selben Tag seitens seiner Partei CHP zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten für das Jahr 2028 gewählt.
Laut Mitteilung der Partei auf einer Großdemonstration in Istanbul hätten 1,6 Millionen der insgesamt 1,7 Millionen CHP-Mitglieder für den 53-Jährigen als Kandidat bei einer zukünftigen Präsidentschaftswahl gestimmt. Der Parteivorsitzende Özgür Özel erklärte laut Medienberichten, dass die CHP am 6. April dies Jahres einen außerordentlichen Kongress einberufen werde, um die Kandidatur von Imamoğlu trotz des stetig steigenden Drucks der Regierung Erdoğan zu bestätigen.
İmamoğlu gilt weiterhin als aussichtsreicher Herausforderer des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Die nächste reguläre Präsidentschaftswahl in der Türkei findet im Jahr 2028 statt. Der entmachtete Bürgermeister von Istanbul wurde am vergangenen Mittwoch in Zusammenhang mit Korruptions- und Terrorvorwürfen festgenommen. Am Sonntag erfolgte dann die offizielle und angeordnete Überführung in die Untersuchungshaft sowie der Verlust des Postens als Bürgermeister von Istanbul.
Imamoğlus Wahlsieg im Jahr 2019 in Istanbul galt als herbe Niederlage der AK-Partei Erdoğans, die die 16-Millionen-Metropole bis dahin regiert hatte. Auch 2024 gewann der CHP-Politiker in der Stadt. Istanbul ist die bevölkerungsreichste Stadt des Landes und sowohl politisch als auch wirtschaftlich von zentraler Bedeutung für die Türkei.
Die aktuelle Situation eskalierte in der Vorwoche, als türkische Sicherheitskräfte eine Razzia in Imamoğlus Wohnsitz durchführten, um ihn dann unter dem Vorwurf der Korruption und angeblicher Verbindungen "zu einer terroristischen Organisation" in Haft zu nehmen. Die Anklageschrift enthält demnach weiterhin folgende Punkte:
"Leitung einer kriminellen Vereinigung, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, Bestechung, qualifizierter Betrug, unrechtmäßige Beschlagnahme personenbezogener Daten und Angebotsmanipulation."
Die Verhaftung löste umgehend landesweit eine Welle der öffentlichen Empörung aus. Hunderttausende gingen aus Protest und Solidarität auf die Straße. Zudem wurde dem Oppositionspolitiker der Universitätsabschluss aberkannt. Diese Entscheidung ist jedoch noch nicht endgültig. Ein Abschluss ist Voraussetzung für eine Präsidentschaftskandidatur in der Türkei.
Imamoğlu bestreitet alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe und wirft der Erdoğan-Regierung vor, ihn mit den forcierten Ermittlungen als politischen Rivalen ausschalten zu wollen. Er bezeichnete die Verhaftung als einen direkten Angriff nicht nur auf seine Person, sondern auf die demokratischen Werte der gesamten Nation. "Hier geht es nicht nur um mich oder meine Partei, sondern um eine Angelegenheit, die die gesamte Türkei betrifft", so Imamoğlu in einer Erklärung.
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