Stirb langsam: Warum es mit X nun zu Ende geht

Soziale Netzwerke sind wegen des Netzwerkeffekts nur schwer totzukriegen. Doch dem Twitter-Nachfolger X von Elon Musk droht nun genau das. Wie konnte das passieren? Welche Plattformen könnten die Nachfolge antreten? Eine Analyse über Aufstieg und Fall sozialer Netzwerke.

Gruselig aussehender Elon Musk hält einen kleinen blauen Vogel in der Hand.
Seit der Übernahme wurden so viele unterschiedliche Fehler gemacht, dass eine Reparatur Twitters kaum mehr möglich ist. (Symbolbild) – Public Domain generiert mit Midjourney durch netzpolitik.org

Friendster, MySpace, StudiVZ und Digg waren alle einmal wichtige soziale Netzwerke, heute verblasst die Erinnerung an sie. Soziale Netzwerke kommen und gehen. Doch ihre Art zu sterben hat unterschiedliche Ursachen. Ist Elon Musks Plattform X als nächstes dran?

Früher hieß die Plattform einmal Twitter. Sie hatte das besondere Merkmal, dass dort Nachrichten aus der ganzen Welt in Echtzeit zu finden waren: Egal ob in Hongkong Straßenhändler in der „Fishball Revolution“ protestierten, eine Landespolitikerin in den USA zurücktrat oder Kim Kardashian eine neue Sendung ankündigte: Auf Twitter kursierte diese Nachricht oftmals vor der Berichterstattung in klassischen Medien. Und nicht nur das: Nutzer:innen konnten sich ihren Nachrichtenmix selbst zusammenstellen, in Echtzeit sozialen Bewegungen und spannenden Akteur:innen folgen und immer live am Ball sein. Diese globale Öffentlichkeit machte die Faszination von Twitter aus.

Twitter-Eigentümer Elon Musk zerstört das seit er den Laden übernommen hat. Die Folge: Der Exodus scheint mittlerweile unaufhaltsam. In mehreren Wellen hat das soziale Netzwerk seit dem Machtwechsel vor zwei Jahren etwa zehn Prozent seiner Nutzer:innen verloren. Unter Protest verabschiedet haben sich Sportvereine, Prominente, Universitäten, Journalist:innen, NGOs, Bibliotheken, Institutionen, Medien, Holocaust-Gedenkstätten, Unternehmen, Kirchen, Regierungsstellen und sogar Polizeien.

Noch hat Musks Netzwerk mehr als 300 Millionen registrierte Accounts. Das klingt nach viel – doch der Schein trügt. Die Säulen der Vorherrschaft sind bei X filigraner als bei anderen Netzwerken und ab einem gewissen Kipppunkt könnte es ganz schnell abwärts gehen.

In dieser Analyse schauen wir uns an, was bei X gerade passiert, welche Effekte dort wirken, welche Gründe der Exodus hat – und welche Zukunft X und seinen potenziellen Nachfolgern bevorstehen könnte.

Warum kann es plötzlich ganz schnell gehen?

János Török und János Kertész von der Central European University in Budapest haben im Jahr 2017 wissenschaftlich beschrieben, wie soziale Netzwerke kaskadenartig zusammenbrechen. Die Studie beruht auf Daten des in Ungarn einstmals sehr beliebten sozialen Netzwerks iWiW, dessen Nutzer:innen ab etwa 2010 zu Facebook abwanderten.

In ihrer Studie stellten die Forscher fest, dass zuerst lose gebundene Nutzer:innen verschwinden, dann aber soziale Ansteckung und kollektive Prozesse bei der Abwanderung eine große Rolle spielen. Das heißt konkret, dass der Weggang eines Kontakts weitere Kontakte dazu bringen kann, das Netzwerk zu verlassen. Zudem konnten die Wissenschaftler Schwellenwerte erkennen, ab denen der Zusammenbruch eines sozialen Netzwerkes sehr schnell geht.

Warum sind etablierte Netzwerke so dominant?

Ab wann Abwanderung für ein Netzwerk gefährlich wird, lässt sich durch die verschiedenen Netzwerkeffekte und Strukturen beschreiben. Benjamin Sandofsky, selbst ehemaliger Angestellter bei Twitter, hat das in einem lesenswerten und kenntnisreichen Artikel beschrieben. Sein Text, den ich über den Newsletter „Krasse Links“ gefunden habe, ist eine der Grundlagen für diesen Artikel.

Grundsätzlich lässt der sogenannte Netzwerkeffekt den Wert eines sozialen Netzwerkes oder einer Dienstleistung für die Nutzer:innen steigen, je mehr Nutzer:innen dort angemeldet sind. Warum einen alternativen Dienst wählen, wenn man dort fast niemanden erreichen kann? Ein neues Netzwerkes kann nur dann für viele attraktiv werden, wenn ein Schwellenwert überschritten wird, um einen eigenen Netzwerkeffekt auszulösen.

Netzwerkeffekte lassen sich bei unterschiedlichen Geschäftsmodelle im Internet beobachten. Die Übernachtungsseite Booking.com zum Beispiel wird nicht so viel benutzt, weil das Buchen von Hotels dort besonders revolutionär ist, sondern weil der Dienst mit 29 Millionen Unterkünften einfach sehr, sehr viele Angebote bündelt. Dieser eine Anlaufpunkt erspart aufwendige Recherchen.

Auch für Anbieter von Hotels und Ferienwohnungen wirkt hier ein Netzwerkeffekt: Auf der Plattform erreichen sie eine große Anzahl potenzieller Kund:innen; müssen sich nicht selbst um die Sichtbarkeit in Suchmaschinen kümmern. Diese indirekten Netzwerkeffekte halten sie bei Booking.com – trotz mittlerweile hoher durchschnittlicher Provisionen von 15 Prozent.

Auch der Messenger WhatsApp ist nicht etwa so erfolgreich, weil es keine ähnlichen Apps gäbe, sondern weil er einfach die meisten Nutzer:innen hat – und Nutzer:innen am liebsten mit einer einzigen App möglichst alle ihre Kontakte erreichen wollen. In der Realität haben aber viele Menschen schon heute mehrere Messenger-Apps auf ihren Smartphones, um mit all ihren Kontakten kommunizieren zu können. Dies können Signal oder Threema sein, um mit einer aktivistischen oder datenschutzinteressierten Bubble in Kontakt zu sein. Oder auch regionale Platzhirsche wie Viber, um mit Menschen in Osteuropa oder den Philippinen zu kommunizieren. WhatsApp hat also durchaus Konkurrenz. Der Messenger geht aber nicht weg, weil seine Netzwerkeffekte so dominant sind.

Was für Typen von Netzwerken gibt es?

Die Macht von Netzwerken wird nicht durch die schiere Anzahl an Personen (Nodes) und deren Aktivität bestimmt, sondern durch die Anzahl ihrer Verbindungen (Connections). Nach Metcalfe’s Law erhöht sich mit der Anzahl der Verbindungen also der Wert eines Netzwerkes. Auf diese Weise können mehr Nutzer:innen diesen Wert praktisch exponentiell ansteigen lassen.

Schaubild, das die Anzahl von Verbindungen zwischen Teilnehmern eines Netzwerkes zeigt
Bei zwei Nutzern gibt es eine Verbindung, bei fünf Nutzern zehn und bei 12 Nutzern schon 66 Verbindungen. - CC0 Woody993, Wikipedia / Montage: netzpolitik.org

Dieses simple Modell mag zwar für ein Telefonnetz zutreffen, lässt sich aber nicht direkt auf soziale Netzwerke übertragen. Denn auf vielen sozialen Netzwerken möchten nicht alle Menschen wirklich alle anderen erreichen. Es gibt deswegen auch das Reedsche Gesetz, das dem Rechnung tragen soll. Demnach verdoppelt sich der Nutzwert eines Netzwerkes im Vergleich zur Anzahl seiner Nutzer:innen.

Aber auch dieses Modell ist nicht ganz passgenau, denn der Wert eines sozialen Netzwerkes liegt ja nicht nur in der bloßen Anzahl möglicher Verbindungen, sondern in der Anzahl erwünschter Verbindungen. So bilden Netzwerke wie Facebook eher erweiterte Freundeskreise und Bekanntschaften ab. Deswegen ist Facebook laut Benjamin Sandofsky ein Sparse Network, bei dem längst nicht das Maximum aller möglichen Verbindungen zwischen den einzelnen Nutzer:innen im Mittelpunkt steht.

Schaubild eines Sparse Network
Die 66 Verbindungen sehen bei Facebook nicht so dicht aus. - sandofsky.com / Montage: netzpolitik.org

Nochmal anders verhält es sich bei X. Die Art der Verbindungen im Netzwerk führt zu der Antwort, warum X ab einem gewissen Punkt Gefahr läuft, sehr schnell seine Relevanz zu verlieren. Denn X ist hochgradig von asymmetrischen Verbindungen abhängig. Im Gegensatz zu Facebook spielen Verbindungen zu großen Accounts mit vielen Follower:innen eine entscheidende Rolle.

Damit folgt X einer anderen Logik als WhatsApp oder Facebook. Während Facebook mit Fokus auf das soziale Umfeld einen Social Graph abbildet, haben wir es beim Twitter-Nachfolger mit einem Interest Graph zu tun. Hier folgen Menschen ihren Interessen folgend Accounts, von denen sie Informationen erhalten, sei es über Politik, Promis, Medien oder Wissenschaft. Kontakte zu Bekannten und Freund:innen gibt es auch,  sie stehen aber nicht im Vordergrund.

Ein auf Interessen basiertes Netzwerk für Kurznachrichten kann zwar eine hohe Bedeutung für manche Zielgruppen aus Journalismus, Aktivismus oder Politik haben. Es hat aber nicht das Wachstumspotenzial von beispielsweise Facebook, Instagram oder TikTok. In seinen besten Zeiten hatte Twitter nur einen Bruchteil der Nutzer:innen im Vergleich zu diesen Netzwerken. Es war aber dennoch dominant in seiner spezifischen Funktion.

Warum ist X jetzt besonders gefährdet?

Die Verbindungen bei X sind also hochgradig asymmetrisch. Accounts mit nur wenigen eigenen Follower:innen können Accounts mit einem Gefolgschaft von mehreren Millionen folgen. Das sind typischerweise Institutionen, Politiker:innen, NGOs, Journalist:innen, Medien, Sportler:innen und Sportvereine, Unternehmen und Prominente aller Art. Das erhöht den Stellenwert dieser einzelnen Super-Knotenpunkte im Netzwerk – und ist die Achillesferse von X.

Entscheiden sich Lady Gaga mit ihren mehr als 80 Millionen Follower:innen oder CNN mit seinen 60 Millionen oder Real Madrid mit etwa 50 Millionen Follower:innen, X zu verlassen und in Zukunft auf einem anderen Netzwerk zu posten, so kann das dem Wert von X überproportional schaden.

Nun mag der Abgang einzelner großer Accounts noch keine erdrutschartigen Effekte entfalten. Kommt es aber zu einem größeren Exodus bekannter Accounts bei gleichzeitiger Etablierung eines neuen Netzwerkes, dann kann sehr schnell ein Kipppunkt erreicht sein. Dann bricht die gesellschaftliche und informationspolitische Relevanz von X in kurzer Zeit in sich zusammen. In diesem Fall fällt es auch nicht mehr ins Gewicht, wenn noch 280 Millionen Accounts auf dem Netzwerk verbleiben und das Konkurrenznetzwerk bloß 40 Millionen Accounts hat, solange darunter die relevanten Akteur:innen sind.

Menschen rennen vor einem großen X weg.
Der X-Odus ist in vollem Gange. (Symbolbild) - Public Domain generiert mit Midjourney von netzpolitik.org

Was hat den Reiz von Twitter ausgemacht?

Sandofsky beschreibt in seinem Artikel sehr anschaulich, wie Twitter einst von der Nerd-Plattform zur Nachrichtenquelle in Echtzeit wurde – mit dem Tweet eines im Wasser gelandeten Flugzeuges im Hudson River im Jahr 2009. Der arabische Frühling und zahlreiche weitere politische Ereignisse zementierten Twitters zentrale Rolle als globale Nachrichten-Öffentlichkeit. Der Rest ist Geschichte.

Sandofsky hebt hier die Rolle der Super-Connectoren hervor, die damals mit ihrer Reichweite dazu beitrugen, dass sich die Nachricht vom notgelandeten Flugzeug in Sekundenschnelle über den Globus verteilte. Er schreibt weiter, aus dem Englischen übersetzt:

Netzwerkeffekte machen einen Dienst nicht unbesiegbar. Twitter ist zu 40 Prozent ein soziales Netzwerk, zu 40 Prozent ein Interest Graph und zu 20 Prozent ein kulturelles Phänomen. Ich würde Twitters Niedergang also irgendwo zwischen Digg und MySpace ansiedeln. Wir befinden uns vielleicht erst am Anfang eines mehrjährigen Prozesses, aber wenn Twitter seine Super-Connectoren verliert, wird sich die Entwicklung meiner Meinung nach schnell beschleunigen.

Bislang haben die Twitter-Alternativen Mastodon, Threads und Bluesky während Nachrichtenlagen ein eher schwaches Bild abgeliefert, wenn es um Echtzeit-Informationen ging. Doch das ändert sich gerade, nicht bei Mastodon und Threads, aber bei Bluesky. So hat X laut dem Guardian zuletzt 2,7 Millionen aktive Nutzer:innen in den USA verloren, gleichzeitig hat Bluesky 2,5 Millionen aktive gewonnen.

Dieser Exodus macht sich nun auch in der Informationsdichte auf Bluesky bemerkbar. So lassen sich zum Beispiel die pro-europäischen Demokratieproteste in Georgien heute auf dem Netzwerk einigermaßen gut verfolgen – ohne ständig bei Twitter zu schauen, ob man etwas verpasst hat. Solche Entwicklungen sind ein weiteres Anzeichen dafür, dass X angezählt ist.

Die Chance ist jetzt

Welche Fehlentscheidungen hat Musk getroffen?

Wenn Netzwerke sterben, dann hat dies nicht nur mit aufstrebenden neuen Konkurrenten zu tun, die bessere Funktionen liefern. Eine Rolle spielen auch Fehlentscheidungen beim Netzwerk selbst, wachsende Kommerzialisierung und Ausbeutung der Nutzer:innenschaft (Enshittfication). Und es geht auch um die Langsamkeit und Selbstzufriedenheit von Platzhirschen, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen.

Während MySpace in seiner selbstkonfigurierbaren Design-Knalligkeit einfach irgendwann over the Top, unsicher und schlecht zu bedienen war, hatte man bei Digg eine ganze Reihe falscher Produktentscheidungen getroffen, die dem Kern der Community und des Netzwerkes widersprachen.

Über den Niedergang von Twitter nach der Übernahme durch den Milliardär Elon Musk ist viel geschrieben worden. Zu den großen Fehlern gehören nicht nur die Schließung der Schnittstelle von Twitter und die Entlassung des Moderation- und Sicherheitssteams, sondern auch die vollkommene Entwertung verifizierter Accounts bei zugleich algorithmischer Verstärkung zahlender Hass-Accounts. Gleichzeitig zensierte die Plattform missliebige Inhalte wie Links zu konkurrierenden Plattformen, indem es diese nicht mehr erlaubte oder die Reichweite solcher Postings einschränkte.

X förderte, während der Eigentümer dabei laut „Meinungsfreiheit“ rief, in den letzten zwei Jahren Hass, Desinformation, Rassismus, Antisemitismus und Verschwörungsideologien und machte das einstmals florierende Netzwerk zu einem unwirtlichen und feindlichen Ort, in dem eine demokratische Debatte nicht mehr möglich ist. Auch Musk selbst beteiligt sich an solchen Inhalten und vermittelt Nutzer:innen gezielt das Gefühl, dass er alles persönlich bestimmen kann. Von der Reichweite von Inhalten bis zum Wegnehmen von Accounts.

Somit kommt X als rechtsradikales Propaganda-Werkzeug des reichsten Mannes der Welt daher. Der Eindruck drängt sich auf, dass bleibende Nutzer:innen sich damit irgendwie gemein machen. Das wiederum führt dazu, dass immer mehr Menschen und Institutionen damit hadern – und das Netzwerk verlassen. Sandofsky geht soweit, dass er X auf dem Weg zu einem neuen 8chan sieht.

Blauer Vogel, im Hintergrund Fäkalien.
Die Enshittyfication Twitters. (Symbolbild) - Public Domain generiert von netzpolitik.org mit Midjourney

Wer profitiert vom Exodus?

Wenn in so einer Situation ein möglicher Konkurrent bereit steht und der Leidensdruck der Nutzer:innen groß genug ist, dann gehen erste Nutzer:innen zu diesem Konkurrenten und legen sich dort einen Account an. Dies geschah in mehreren Wellen. Die Early Adopter verschwanden schon direkt bei Musks Übernahme vor allem zu Mastodon, weitere Wellen folgten. Davon profitierten vor allem Meta-Tochter Threads und Bluesky. In einer dieser Wellen stiegen nach erstem Zögern auch erste Medien wie Correctiv oder netzpolitik.org bei X aus.

Seit der von Donald Trump gewonnenen und von Musk unterstützten Wahl gehen auch große Medienhäuser wie der Guardian und zahlreiche Prominente, zuletzt auch in Deutschland. Der Exodus hat an Fahrt gewonnen und dabei kommt vor allem Bluesky immer mehr aus der Nische: Mehr als 200 Bundestagsabgeordnete haben auf dem Netzwerk mit dem Schmetterlingslogo schon einen Account angelegt, die Wissenschaft kommt, die britischen Parlamente, internationale NGOs und immer mehr Journalist:innen. Mehr als 25 Millionen Accounts sind mittlerweile bei Bluesky registriert.

Die Nutzer:innen genießen auf Bluesky derzeit eine Stimmung wie auf Twitter vor zehn Jahren: Freiheit von fremdbestimmten Algorithmen und eine Atmosphäre, in der gemeinsame Kommunikation, Debatte und Information im Vordergrund stehen. Wenn sich Bluesky weiter so entwickelt, könnte sich dort eine neue globale Öffentlichkeit nach dem Vorbild von Twitter formieren.

Millionen Menschen stürmen Bluesky

Hätte Twitter/X den Exodus vermeiden können?

Gibt es noch eine Chance für X, den Exodus aufzuhalten? Das ist angesichts der notorischen Unbelehrbarkeit von Musk unwahrscheinlich. Die zunehmenden Hasskommentare und die aggressive Stimmung auf X schrecken viele Menschen ab. Hinzu kommt, dass viele auch die dominante Rolle des Eigentümers und seiner willkürlichen Entscheidungen leid sind; sie haben einfach keine Lust mehr auf Musk und seine Plattform.

Dabei zeigen andere Beispiele, dass dominante Netzwerke durchaus effektiv auf Konkurrenten reagieren können. Kommen neue Netzwerke mit beliebten Funktionen auf den Markt, dann reagieren Platzhirsche teils aggressiv: Entweder kaufen sie ein Netzwerk einfach auf oder integrieren zum Verwechseln ähnliche Funktionen bei sich selbst.

Wenn die Meta-Tochter Threads also von heute auf morgen eine chronologische Timeline und selbstbestimmte Feeds, dann liegt das nicht daran, dass Meta plötzlich gegen bevormundende algorithmische Sortierung ist. Der Grund ist der Erfolg dieser Funktion bei Bluesky.

Diese Strategie lässt sich immer wieder beobachten. So hatte Meta-Tochter Instagram hat als Reaktion auf Vine die Unterstützung von Videos eingeführt, als Reaktion auf Snapchat die sogenannten Stories – und als Reaktion auf TikTok die Reels. Und was kam dabei raus? Vine gibt es nicht mehr; Snapchat konnte Instagram nicht vom Thron stürzen, TikTok allerdings prosperiert weiter. Auch Twitter hat in der Vergangenheit andere Apps und Netzwerke abgewehrt, so zum Beispiel den Corona-Shooting-Star Clubhouse, den Twitter mit den Twitter Spaces erledigte.

Menschen schauen auf ihre Smartphones, sitzen auf einer Blumenwiese über der Schmetterlinge fliegen
Wird jetzt alles Friede, Freude, Eierkuchen? Eher nicht. - Public Domain generiert von netzpolitik.org mit Midjourney

Wie geht es jetzt weiter?

Dieses Mal gibt es bei X allerdings wenig Potenzial für eine Verteidigung der eigenen Netzwerkmacht. Zu viel ist kaputt gegangen in den vergangenen zwei Jahren. Das muss allerdings nicht das Ende von X bedeuten, eher das Ende von dem, was X und vor allem Twitter einmal waren. Der Zerfall kann sich über Jahre ziehen – selbst StudiVZ wurde erst im Jahr 2022 endgültig dicht gemacht.

Künftig könnte X ein Ort wie Truth Social werden, ein Propaganda-Spielplatz des reichsten Mannes der Welt, den demokratische Kräfte lieber meiden. Ob jemals wieder so eine Plattform für Debatten einer globalen Öffentlichkeit entsteht? Es sieht derzeit eher nach größeren fragmentierten Öffentlichkeiten aus: Mastodon das Lagerfeuer für die eher nerdige Klientel, Threads als eher unpolitische Kurznachrichten-Plattform und Bluesky als Informationsnetzwerk.

Spannend wird dabei auch die Frage sein, wie sich diejenigen verhalten, die jetzt auf X für Hass, Desinformation und rechte Hetze sorgen. Denn klar ist, dass die rechten Kräfte die demokratischen, progressiven Accounts brauchen. Einerseits um von deren Empörung durch Reichweite zu profitieren und andererseits, um ihre rechtsradikalen Positionen in den Mainstream-Diskurs einzuspeisen. Es dürfte nicht lange dauern, bis sie auch bei Bluesky & Co anklopfen. Dann kommt es darauf an, wie abwehrbereit diese sozialen Netzwerke und die Nutzer:innen darauf reagieren.


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