So hat der Krieg die Zukunft der Ukraine verändert

Von Iwan Timofejew

Die vor kurzem gescheiterten Verhandlungen zwischen dem ukrainischen Staatschef Wladimir Selenskij und US-Präsident Donald Trump stellen eine deutliche Abkehr vom bisherigen Verhaltensmodell dar.

In den vergangenen drei Jahren wurde die unerschütterliche Unterstützung Washingtons für Kiew als selbstverständlich angesehen. So stammten die meisten Militärausrüstungen, Finanzhilfen, Kommunikationsmittel und nachrichtendienstlichen Unterstützungsleistungen für die Ukraine aus den USA. Doch schon vor dem aktuellen Konflikt standen die USA hinter den euro-atlantischen Bestrebungen des Landes.

Die Existenz der modernen Ukraine als politisches Gebilde ist in vielerlei Hinsicht der Unterstützung der USA zu verdanken.

Vor diesem Hintergrund war die öffentliche Kontroverse im Oval Office zwischen dem US-Präsidenten und seinem Vizepräsidenten einerseits und Selenskij andererseits besonders auffällig. Auch wenn niemand weiß, wann der Ukraine-Konflikt sein Ende finden wird, bietet dieser Vorfall im Weißen Haus doch Anlass, die Ereignisse der letzten drei Jahre zusammenzufassen und über frühere Phasen der postsowjetischen Geschichte der Ukraine nachzudenken. Dies lässt sich in Form einer Gewinn-und-Verlust-Bilanz darstellen.

Einige unwesentliche Erfolge

Die Tatsache, dass die Ukraine formell unabhängig geblieben ist, kann als Erfolg gewertet werden. Das Land erlitt zwar Gebietsverluste, aber im Vergleich zu dem, was die Ukraine vor dem Krieg de facto kontrollierte, sind diese nicht so gravierend.

In den vergangenen drei Jahren gelang es Kiew, die Unterstützung des Kollektiven Westens aufrechtzuerhalten und sich als Vorreiter bei der Abschreckung Russlands zu positionieren. Die ukrainische Armee wurde zu einer der kampferprobtesten Streitkräfte in Europa, die unter realen Kampfbedingungen Erfahrungen mit modernen westlichen Waffen sammeln konnte.

Trotz wiederholter Korruptionsskandale konnte das Land seine Ressourcen bündeln, seine Bevölkerung mobilisieren und ein hohes Tempo bei den Militäroperationen der letzten drei Jahre beibehalten.

Menschenopfer und demografische Krise

Nun zu den Verlusten. Zuallererst erlitt die Ukraine erhebliche Verluste an Menschenleben. Mehrere Hunderttausend Menschen wurden getötet und verwundet. Dies wird durch die Massenflucht von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen noch verschärft, von denen viele zögern, zurückzukehren.

Angesichts der schwierigen demografischen Situation in der Ukraine nach dem Zusammenbruch der UdSSR, der niedrigen Geburts- und der hohen Sterblichkeitsrate (das Gleiche wurde in Russland beobachtet), handelt es sich um spürbare Verluste. Darüber hinaus hat die Ukraine im Gegensatz zu Russland keine Erfahrung mit der Integration einer großen Anzahl von Migranten. Es wird äußerst schwierig sein, diese Verluste zu kompensieren.

Die ausländische Ukraine-Diaspora kann zwar als Aktivposten fungieren – indem sie Lobbyarbeit für eine proukrainische Gesetzgebung leistet, Sanktionen gegen Russland unterstützt und ihren Angehörigen in der Heimat Finanzhilfen zukommen lässt –, doch kann sie weder den Arbeitskräftemangel direkt ausgleichen noch das Wirtschaftswachstum im Inland stimulieren.

Infrastrukturzerstörung und Probleme bei der Militärversorgung

Zu den menschlichen Opfern kommen noch die Zerstörung der Infrastruktur, der Industriekapazitäten und der Materialressourcen hinzu. Die anhaltenden Feindseligkeiten führten zu erheblichen Schäden, deren Behebung Dutzende Milliarden US-Dollar erfordern wird.

Betrachtet man die Militärversorgung, sind die Verluste in diesem Bereich noch offensichtlicher. In den letzten drei Jahren erschöpfte die Ukraine die riesigen Bestände an sowjetischen Waffen, die sie vor dem Krieg hatte. Westliche Lieferungen trugen zwar zur Entschärfung des Problems bei, jedoch wird es schwierig sein, das erforderliche Versorgungsniveau ohne fortlaufende gigantische Finanzinvestitionen aufrechtzuerhalten. Der abrupte Kurswechsel Washingtons erschwert die Lage zusätzlich, da der Großteil der Militärhilfe aus den USA kam.

Territoriale Ungewissheit und strategischer Niedergang

Was die Gebietsverluste betrifft, so bleibt ihr endgültiges Ausmaß ungewiss. Eines steht jedoch fest: Die Wiederherstellung der Landesgrenzen von 1991 stellt kein realistisches Ziel mehr dar.

Dass die russischen Streitkräfte zurückgeschlagen werden, scheint unwahrscheinlich, zumal die russische Armee ihren langsamen, aber stetigen Vormarsch fortsetzt. Die russische Rüstungsindustrie steigert ihre Produktion und scheint in der Lage zu sein, ihr derzeitiges Tempo auch in Zukunft beizubehalten. Unterdessen wird die Ukraine geschwächt, was zu neuen Gebietsverlusten führen könnte.

Zwar wird Kiew nicht die Finanzlast für die Wiederherstellung der verlorenen Gebiete tragen, aber es wird auch keinen Zugang zu deren Ressourcen haben.

Zunehmende Abhängigkeit vom Westen

Drei Jahre Krieg verschärfen die Abhängigkeit der Ukraine von ihren westlichen Partnern erheblich. Trotz formeller Souveränität hat die Ukraine nicht mehr die Freiheit, ihren politischen und wirtschaftlichen Kurs selbst zu bestimmen. Der Staatshaushalt des Landes ist in hohem Maße von ausländischer Hilfe abhängig, und die Reste der ukrainischen Industrie werden zunehmend in die Lieferketten des Westens integriert, was die Ukraine zu einer Peripheriewirtschaft macht.

Ohne die Hilfe westlicher Sponsoren ist es unmöglich, das Land zu modernisieren oder auch nur existenzfähig zu halten. Selbst wenn die EU und andere Länder alle eingefrorenen russischen Aktiva beschlagnahmen und an die Ukraine übergeben würden – ein Szenario, das derzeit unwahrscheinlich erscheint –, würde dies das Problem nicht lösen, da Entscheidungen über zukünftige Finanzierungen weiterhin im Ausland getroffen würden.

Diese Abhängigkeit macht die Ukraine politisch anfällig. Denn westliche Verbündete haben die Möglichkeit, ihren Einfluss geltend zu machen und Vermögenswerte zu beanspruchen, die sie für wesentlich halten. Während die EU dies auf sanfte Weise tut, indem sie die korrekten Worte wählt und der Ukraine erlaubt, ihr Gesicht zu wahren, scheut sich Trump nicht, die Kontrolle über die natürlichen Ressourcen der Ukraine als Gegenleistung für die gesamte Hilfe der USA zu beanspruchen. Kiew ist in einer Art Schuldknechtschaft gefangen, aus der es – wenn überhaupt – erst in Jahrzehnten herauskommt.

Infolgedessen ist die Ukraine heute ein noch anfälligerer, abhängigerer und randständigerer Staat als zuvor. Anfang der 1990er Jahre hatte das Land noch ganz andere Perspektiven: Es verfügte über eine große Bevölkerung und ein von der Sowjetunion geerbtes Industriepotenzial.

Politische Instabilität und Umschwung zum Nationalismus

Drei Jahre nach dem Ausbruch des Konflikts weist das politische System der Ukraine immer noch eine gewisse Instabilität auf. Das im Krieg befindliche Land wurde zu einem autoritären Staat, der sich auf den Nationalismus als Leitideologie stützt. Dieser Umschwung gibt Anlass zu ernsten Bedenken hinsichtlich der Legitimität der derzeitigen Amts- und Regierungsführung.

Dass die politische Kontinuität der Ukraine gebrochen ist, lässt sich daran erkennen, dass Sanktionen nicht nur gegen die Vor-Maidan-Führung, sondern auch gegen den ehemaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und die Hauptakteure des Staatsstreichs von 2014 verhängt wurden. Die seit der Unabhängigkeit des Landes bestehenden Schwachstellen in der ukrainischen Politik könnten jetzt mit neuer Intensität wieder aufbrechen.

Zu diesen politischen Problemen kommen die Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung, die Frustration über die Verluste und der Zynismus der Verbündeten hinzu. Die Ukraine wird bald mit den Folgen des posttraumatischen Stresses zu kämpfen haben. Zwar verschaffte die Kooperation mit dem Westen den einfachen Ukrainern viele Vorteile – so finden sie leichter einen Arbeitsplatz in den EU-Ländern oder können an westlichen Universitäten studieren –, doch besteht die Gefahr, dass dieses Modell koloniale Züge annimmt und den Brain-Drain verschärft, da qualifizierte Fachkräfte weiterhin das Land verlassen.

Das Risiko eines Dauerkonflikts

Zu den Folgen des dreijährigen Konflikts gehört auch die Bereitschaft der Ukraine zu einer neuen Konfrontation mit Russland. Sollte Kiew an seinem derzeitigen außenpolitischen Kurs festhalten, würde ein möglicher Waffenstillstand nur eine vorübergehende Atempause darstellen. Die Ukraine müsste weiterhin ihre Streitkräfte unterhalten und finanzieren und wäre dabei in hohem Maße auf westliche Unterstützung angewiesen. Dies würde jedoch die Abhängigkeit von externen Kräften weiter erhöhen.

Letztlich wird die Ukraine ihr bisheriges Verhaltensmuster aufgeben und den Konflikt mit Russland beenden müssen. Im Kontext des aktuellen Konflikts (und im weiteren Sinne der gesamten Post-Maidan-Periode) ist dies für die moderne Ukraine jedoch inakzeptabel. Innenpolitisch könnte eine solche Politik zu Verratsvorwürfen, Sanktionen und Repressionen führen. Die Medien erzeugen ein Bild von Russland als ewigem Feind. Die Märtyrerrolle – den Westen unter Inkaufnahme großer persönlicher Opfer zu verteidigen – ist für die Ukrainer zur Normalität geworden. Darüber hinaus haben drei Jahre Krieg, der durch die Propaganda noch verschärft wurde, tiefe Narben in der Gesellschaft hinterlassen.

Die Konfrontation fortzusetzen – sogar in einem Szenario des Kalten Krieges – erscheint für die Ukraine praktisch und logisch. Der Durst nach Rache feuert die nationale Identität an und kräftigt den Nationalismus. Wenn die Ukraine jedoch nach einer schmerzhaften Phase der Anerkennung der erlittenen Verluste und Schäden keinen Ausweg aus diesem Konfliktzustand findet, läuft sie Gefahr, ihre Souveränität zu verlieren, ihre Rolle als Schachfigur in den Händen ausländischer Mächte zu festigen und ihre staatliche Unabhängigkeit vollständig zu verspielen.

Übersetzt aus dem Englischen.

Iwan Timofejew ist Programmdirektor des Waldai-Klubs.

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