Die Enthüllungen von Correctiv über die geplanten Vertreibungen auch deutscher Staatsbürger, welche unter anderem bei dem Geheimtreffen in Potsdam besprochen wurden, sorgten Anfang 2024 für einen der größten gesellschaftlichen Aufschreie seit der Wiedervereinigung. Was damals ans Licht kam, führte zu Massendemonstrationen in Deutschland und hinterließ eine schwerwiegende Krise für die Rechtsextremen. Es war ein Absturz in den Umfragen, von welchen sie sich bis heute nicht erholt haben. Ein neuer Beschluss des Landgerichts Hamburg befasst sich mit der journalistischen Arbeit von Correctiv und zeigt, wie weitreichend die Pläne wirklich sind.
Was war das Geheimtreffen in Potsdam?
Im Januar 2024 deckte Correctiv auf, dass bei einem geheimen Treffen in Potsdam hochrangige AfD-Politiker, Rechtsextremisten wie Martin Sellner und sogar Mitglieder der Union unter anderem über radikale Pläne zur sogenannten „Remigration“ sprachen. Dabei handelt es sich um einen beschönigenden Begriff, der Vertreibungen und Abschiebungen von Menschen aus Deutschland beschreibt – und das auch von deutschen Staatsbürgern, die nach Ansicht der Rechtsextremen „nicht hinreichend assimiliert“ seien.
Die Berichterstattung löste Massendemonstrationen aus, die AfD stürzte in den Umfragen ab, und die internationale Kritik war vernichtend. Selbst Marine Le Pen, die rechtsextreme Politikerin aus Frankreich, distanzierte sich öffentlich von der AfD. In Deutschland gab es über 1200 Demonstrationen mit mehr als 4 Millionen Menschen auf den Straßen. Eine der größten Protestbewegungen in der deutschen Geschichte.
Beschluss des Landgerichts Hamburg:
In einem Prozess vor dem Landgericht Hamburg wiederholte nun das Gericht eine sehr wichtige Passage, in der bestätigt wird, dass Correctiv in dieser zentralen Aussage recht hatte. Rechtsanwalt Chan-jo Jun, der die grüne Bürgerschaftsfraktion Hamburg gegen den AfD-Anwalt Ulrich Vosgerau vertritt, stellte im Verfahren nämlich eine entscheidende Frage: Wurde die zentrale Behauptung von Correctiv, dass auch deutsche Staatsbürger Ziel der Vertreibungspläne waren, jemals widerlegt? Die Antwort: Nein.
Selbst Ulrich Vosgerau, der AfD-nahe Anwalt, der Correctiv und andere Medien (wie Volksverpetzer, erfolglos) juristisch angreift, musste vor Gericht zugeben, dass diese Behauptung nie angefochten wurde. Eine ganz wichtige Unterscheidung, denn in der Kommunikation von AfD & Co. wird gerne behauptet, Correctiv sei widerlegt worden. Aber der Beschluss ging jetzt noch einen Schritt weiter.
Was ist „Remigration“ wirklich?
Zunächst aber zur klargestellten Definition. Das Konzept der „Remigration“, das maßgeblich von Martin Sellner geprägt wurde, wird oft als „freiwillige Rückkehr“ dargestellt. Doch hinter diesem Euphemismus verbirgt sich ein detaillierter Plan zur massiven Ausgrenzung. Sellner beschreibt in seinem Buch eine Reihe von Maßnahmen, sogar buchstäblich von „Ghettogesetzen“, die darauf abzielen sollen, Menschen mit Migrationshintergrund – und teilweise auch deutsche Staatsbürger – systematisch aus Deutschland zu vertreiben.
Zu diesen Maßnahmen könnten unter anderem gehören:
- Aufhebung von Diskriminierungsverboten: Vermieter und Arbeitgeber sollen künftig offen Menschen mit Migrationshintergrund ausschließen können.
- Drastischer Assimilationsdruck: Deutsche mit Migrationshintergrund sollen durch gesellschaftliche und gesetzliche Maßnahmen dazu gedrängt werden, das Land zu verlassen.
- Änderung der Staatsbürgerschaftsgesetze: Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft könnten durch neue Gesetze ihre deutsche Staatsangehörigkeit verlieren.
Was der Beschluss bedeutet
Das Landgericht Hamburg wiederholte jetzt in seinem Beschluss, der Volksverpetzer vorliegt, dass diese Pläne tatsächlich besprochen wurden und Menschen mit deutschem Pass explizit einschließen.
Auch wenn der Begriff „Deportation“ möglicherweise juristisch nicht haltbar ist, und diese sich von „Vertreibungen“ unterscheiden, wiederholte das Gericht, dass die geplanten Maßnahmen unter anderem den Verlust der Staatsbürgerschaft, Zwangsmaßnahmen und systematischen gesellschaftlichen Druck umfassen. Der Begriff „Deportation“ ist möglicherweise ungenau, aber Correctiv hat Recht.
Jun formuliert es so: „Das trägt zwar nicht die Bezeichnung „Deportation“, aber maßgeschneiderte Gesetze sollen dazu führen, dass Staatsbürger das Land verlassen. Also geht es doch um Staatsbürger.“
Vosgeraus Strategie, die Glaubwürdigkeit von Correctiv anzugreifen, ist somit gescheitert, obwohl er diesen Prozess in Hamburg wegen dieser Formulierung sogar gewonnen hat. Seine juristischen Klagen zielten offensichtlich darauf ab, die öffentliche Wahrnehmung zu beeinflussen und Correctiv als unseriös darzustellen. Doch wie Chan-jo Jun betont, war dies von Anfang an ein „juristisches Ablenkungsmanöver“, das den Kern der Vorwürfe nicht berührte.
Die politische Dimension: Rechtsextreme Pläne enthüllt
Dass auch deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund Ziel jener „Remigration“ sind, ist kein Zufall. Es ist Ausdruck einer rassistischen Ideologie, die in den Worten von Martin Sellner und anderen Vertretern der Neuen Rechten sichtbar wird. Die AfD macht sich diese Pläne zu eigen, wie die Annahme entsprechender Resolutionen in Bayern und anderen Bundesländern zeigt.
Auch das Bayerische Verwaltungsgericht München (BayVG) hat kürzlich in einem separaten Urteil gegen die AfD Bayern erklärt, dass sich einige AfD-Politiker dieses Konzept zu eigen machen.
Das Gericht hat auch klar definiert, dass „Remigration“ nach Sellner Abschiebungen von deutschen Staatsbürgern einschließt.
Die Enthüllungen und das Gerichtsurteil zeigen, wie weit diese Ideologie reicht und wie gefährlich sie für die Demokratie ist. Die AfD ist offenbar in Wahrheit bereit, Menschen basierend auf Herkunft, Hautfarbe und kulturellem Hintergrund zu diskriminieren. Verfassungsfeindlich also.
„Hamburg ist in diesem Zusammenhang ein besonderer Ort“, sagt Jun. „Die Stadt hat als Hafenstadt eine jahrhundertealte Tradition von Migration. Schon vor vielen Generationen sind Menschen aus aller Welt nach Hamburg gekommen. Diese Menschen prägen das Straßenbild der Stadt. Genau dieses Straßenbild war jedoch Gegenstand der Diskussion. Manche behaupteten, es sähe zu ‚ausländisch‘ aus, und ausländische Restaurants sollten aus dem Stadtbild verschwinden.“
Vor Gericht gelogen?
Jun erwähnt ebenfalls, dass Vosgerau heimlich zurückgerudert sei und zwei verschiedene eidesstattliche Versicherungen vorgelegt wurden.
„Nämlich eine stammte aus dem ersten Correctiv-Prozess, und da hatte er im Februar noch gesagt: ‚Insgesamt ist also festzuhalten, dass sowohl der Vortragende Sellner, wie auch die anderen Teilnehmenden des Treffens zu keinem Zeitpunkt eine Remigration von Menschen mit deutschem Pass gefordert oder geplant haben.'“
Und weiter:
„Aber die Frage ist natürlich: Was ist mit Remigration gemeint? Wir wissen heutzutage, dass Remigration nach dem Sellnerschen Konzept das ganze Programm, und zwar insbesondere die Vertreibungspläne von Menschen mit Staatsbürgerschaft, umfasst. So gesehen wäre das also falsch. Deswegen schreibt er auch in einer neueren eidesstattlichen Versicherung an der gleichen Stelle nicht mehr von Remigration, sondern: ‚Insgesamt ist also festzuhalten‘, heißt es in der neueren eidesstattlichen Versicherung, ‚dass sowohl der Vortragende Sellner, wie auch die anderen Teilnehmenden zu keinem Zeitpunkt eine Ausbürgerung, Ausweisung oder Abschiebung von Menschen mit deutschem Pass gefordert haben.'“
Also jetzt sollte irgendetwas gefordert worden sein für deutsche Staatsbürger, aber nicht „Remigration“ und nicht Dinge wie Ausbürgerung, Ausweisung oder Abschiebung. Von Sellner wissen wir aber, dass er zugegeben hat, was damit gemeint sei:
Für die Öffentlichkeit bleibt die Botschaft in unseren Augen klar: Die Pläne zur „Remigration“ betreffen nicht nur Ausländer, sondern auch deutsche Staatsbürger. Das wäre dann verfassungswidrig, rassistisch und gefährlich. Und die AfD scheint sich nicht wirklich davon zu distanzieren, im Gegenteil. Dort wird jene „Remigration“ offiziell als Resolution beschlossen. Dort sind jene Vertreibungen „kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen.“, wie AfD-Politiker René Springer nach den Correctiv-Enthüllungen twitterte.
Die AfD hat sich weiter radikalisiert, sie ist vermutlich intern vom Verfassungsschutz bereits gesamt als gesichert rechtsextrem hochgestuft worden. Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl hält die Behörde jedoch die Veröffentlichung bisher zurück, wogegen Correctiv klagt. Es wäre eigentlich der letzte Schritt vor einem Verbotsverfahren.
Teile des Artikels wurden mit maschineller Hilfe erstellt. Artikelbild: Markus Scholz/dpa
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