Analyse: BILD kritisiert Habeck schärfer als Faschisten Höcke

Gastbeitrag von Zentrum für Politische Schönheit/ Dina Leber und Anton Wenniger

Dass die BILD gerade bei politischen Themen eher selten sachlich berichtet, ist hinlänglich bekannt. Ihre Hetzkampagnen gegen fast alle demokratischen Politiker:innen und Parteien werden regelmäßig diskutiert und kritisiert, auch hier bei Volksverpetzer. Doch in diesem Artikel legen wir den Fokus auf das rechtsextreme Ende des politischen Spektrums und fragen: Wie berichtet eigentlich die BILD über den Faschisten Björn Höcke und die AfD? Die Ergebnisse der Medienanalyse zeigen: Während sie einerseits zu manchen Höcke-Niederlagen deutlich kritischer berichtet als die meisten großen deutschen Medien, begleitet sie an anderer Stelle den Aufstieg des Faschisten unkritisch. Eine klar ablehnende Haltung gegenüber den Rechtsextremen ist kaum zu erkennen.

BILD hetzt gegen Habeck – und begleitet Höcke differenziert?

„Die größte Boulevardzeitung des Landes nimmt in puncto politischer Berichterstattung auch heute noch eine gewichtige Rolle ein und folgt dabei – gelinde gesagt – nicht immer journalistischen Leitlinien.“ – So beginnt die Framing-Analyse von Nikolaus Fink mit dem Titel „Unfähig & überfordert – Die Kampagne der BILD gegen Robert Habeck“ aus dem Februar 2023 auf dem Medienwatchblog Kobuk. Über das Jahr 2022 werteten die Mitarbeitenden alle publizierten Artikel der BILD über den Grünen-Politiker aus. Das Ergebnis: Nur ein Artikel war positiv, der Rest überwiegend negativ oder neutral. Sie arbeiteten dabei bestimmte Frames heraus, die die Erzählungen zu Habeck wiedergeben: „Habeck ist unfähig“, „Habeck ist müde und an allem schuld“ und „Habeck will Bürger:innen bevormunden“.

Auf dieser Grundlage analysierten wir die BILD-Berichterstattung zu Björn Höcke. Wir wollten wissen: Wenn die BILD derart negativ über Habeck berichtet, welche Geschichten verbreitet Deutschlands auflagenstärkste Zeitung eigentlich über Höcke? Uns standen hunderte Artikel zur Verfügung, die hauptsächlich im Zeitraum 2023 bis 2024 publiziert wurden. Anders als bei Habeck scheint die BILD-Zeitung in der Berichterstattung zu Höcke durchaus eine gespaltene Meinung einzunehmen: Zum einen zeichnen sie Höckes Aufstieg zum ‚Allmächtigen‘ nach, zum anderen sehen sie ihn im Untergang und als Verlierer. Sie berichten von Höckes Gerichtsprozessen wegen scheinbar vollkommen unschuldig verwendeter SA-Parolen oder darüber, wie Höcke selbst zum Ankläger mutiert. Es scheint, als würde die BILD eine politische Achterbahnfahrt Höckes mitfahren und ihm in Auf- wie Abstiegszeiten die Stange halten. Dabei nutzt BILD grob 4 Frames, die wir im Folgenden einzeln anschauen.

Frame 1: Der verurteilte Höcke

30% der gesammelten Artikel zeigen einen Höcke, der wieder und wieder vor Gericht erscheinen muss. In den großen Schlagzeilen gibt die BILD dabei in den seltensten Fällen an, warum Anklage auf Anklage gegen den armen Mann folgt. Die Gründe werden nur bei genauerer Betrachtung deutlich: Es laufen Ermittlungen gegen Höcke „Wegen Nazi-Spruch“, „Wegen Nazi-Sprache“, wegen „NS-Vokabular“, „SA-Parole“ und „Volksverhetzung“.

Frame 2: Höcke auf dem Weg nach ganz oben. Er sahnt bei TV-Duells ab und vieles um ihn ist mysteriös

In der relativen Mehrheit der Beiträge (41%) geht es um Höckes Aufstieg, wobei die Darstellung teilweise an einen Größenwahnsinnigen erinnert. Ob er sich selbst mit Jesus vergleicht, Seegrenzen neu vermessen oder die Polizeiwache stürmen will: von allem ist etwas dabei. Höcke habe einen „kruden Machtplan“ und folge „Codes“, die entschlüsselt werden wollen. Die BILD jedenfalls rückt ihn in ein mysteriöses bis mystisches Licht. Seine Wahlerfolge werden ebenso kolportiert wie Siege bei TV-Duells, wo er „Hammer-Quoten“ absahnt.

Hier ist ein neues Interesse der BILD im Vergleich zu anderen Medien zu erkennen: Wenn andere, seriöse Medien über Höckes lächerlichen Jesus-Vergleich berichten (siehe: Zeit Online), wird im Gegensatz zur BILD auch seine Verurteilung vor Gericht wegen verbotener NS-Parolen erwähnt. Höckes Plänen zur Neuvermessung der Seegrenze zwischen Deutschland und Dänemark schenkten alle anderen Medien überhaupt keine Aufmerksamkeit. Die BILD lässt da mehr Raum für Höckes Projekte. Auch wenn nicht jede dieser Schlagzeilen bedingungslose Unterstützung für Höcke ausdrückt, entsteht doch der Eindruck einer gewissen Verklärung.

Frame 3: Höcke geht unter

Bei 21% der Artikel versucht die BILD, Höckes Untergang herbeizuschreiben. Berichtet wird über ein „Fiasko“ und ein „Höcke-Beben“. Er verliert spürbar die Zustimmung, die Wahlversprechen werden in Frage gestellt („Sind Höckes Wahlversprechen nur Märchen?“) und finstere „Rebellen“ wollen ihn aus der Partei werfen. Außerdem wehren sich Aktivist*innen in einer „Klebstoff-Attacke“ gegen Höcke. In seinem Untergang „bettelt“ er um Spenden und muss gerettet werden. Von wem – bleibt offen.

Es finden sich kaum andere Medien, die auf diese Art und Weise über die Verluste der AfD berichten. Nur die Frankfurter Rundschau spricht von den Versuchen, Höcke aus der AfD zu werfen. Auch die „Klebstoff-Attacke“ ist in keinem anderen Medium zu finden. Überraschenderweise scheint die BILD also, wenn sie es einmal bis zur Höcke-Kritik schafft, diese auch konsequent durchzuziehen.

Frame 4: Höcke kämpft um seine Ehre

Den (oft juristisch ausgetragenen) Kampf um die Deutungshoheit über die „Wahrheit“, den Höcke führt, wird in fünf Schlagzeilen von der BILD breitgetreten. In der Gesamtbetrachtung unserer Analyse handelt es sich hier „nur“ um 8% der betrachteten Artikel, wobei jedoch in keinem der Fälle eine Einordung der Aussagen Höckes stattfindet. Höcke teilt jetzt selbst aus und beginnt, andere Menschen als rechtsextrem zu bezeichnen. Cathy Hummels klagt Höcke für ihre gepostete „Nazi-Parole“ an, die Anti-AfD-Demos vergleicht er mit „Nazi-Märschen“. Das färbt auf seine Anhänger*innen ab, die den Spruch am Justizgebäude in Halle als „KZ-Spruch“ bezeichnen dürfen. Und AfD-Chef Chrupalla lässt die BILD verlautbaren: Höcke sei für ihn „nicht rechtsextrem“.

Eine Einbettung der wahrheitsverdrehenden Aussagen Höckes finden, wenn überhaupt, nur über die darüberstehenden Zeilen statt: es ist von „Widerlicher Provokation“ zu lesen. Zum Vergleich: Der Tagesspiegel kontextualisiert Höckes Aussagen, indem er ihn als Faschisten bezeichnet.

Ähnliche Frames bei der BILD auch zur AfD selbst

Die BILD macht aber nicht nur Höckes Achterbahnfahrten mit. Dieselben Frames sind in der Berichterstattung über die AfD selbst zu finden. In 91 Artikeln aus dem Jahr 2024 geht es viel um die Verurteilung von AfD-„Politikern“. Im Gegensatz zur Darstellung Höckes werden bei der AfD Rückschläge, Anklagen, nationalsozialistische Verbindungen und parteiinterne Konflikte (in erster Linie um Maximilian Krah) bei der BILD bei 73% unseres Materials in den Mittelpunkt gerückt.

An dieser Stelle heben wir zwei Frames hervor, die einen Anschluss an Höckes Auf- und Abstiegsgeschehen darstellen. In der Gesamtbetrachtung unseres Datenmaterials machen die hier erwähnten Kategorien 17% und 10% der betrachteten Artikel aus. Wo die BILD bei Höcke insgesamt sogar eher ein positives Bild zeichnet, berichtet sie bei der AfD dann doch überwiegend negativ. Im Vergleich zur Berichterstattung zu Habeck stechen hier jedoch immer noch die 17% positiver Berichte gegenüber der faschistischen Partei heraus!

Frame 1: Die AfD ist mega beliebt und wird von vielen Leuten gewählt. Der Zuspruch bringt die Brandmauer zu Fall

In 17% der BILD-Artikelüberschriften räumt die Partei mit hohen Prozentzahlen ab und der Blick wird geweitet auf viele „Deutsche“, die die AfD wählen. Es wird dabei mindestens ein „Trend“ suggeriert, wenn nicht sogar ein Stück „Normalität“, die AfD zu wählen. Durch den Zuspruch für die AfD beginne die Brandmauer zu „bröckeln“, wobei verschiedene Parteien sich nicht mehr lange gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD sperren könnten. Besonders im Fokus: das neu gegründete BSW mit Sahra Wagenknecht.

Die BILD schürt das Interesse der Lesenden, indem sie in der Überschrift erstmal die Frage offen hält, wo die AfD denn „mehr als 40 Prozent holte“ oder auf welcher „Wahlkreiskarte der Süden AfD-blau“ ist, wobei sich diese Art der Sensations-Berichterstattung auch bei anderen Medien findet. Die Aussage der BILD, „Fast jeder vierte Deutsche hat schon mal AfD gewählt“, als handelt es sich dabei um eine aufregende Mutprobe, dürfte aber nicht ganz zutreffen. Für einzelne Bundesländer mag diese Berechnung sogar stimmen, kaum jedoch bundesweit.

Frame 2: AfD-Politik als “umstritten”

Die Politik der AfD bleibt auch in der BILD-Zeitung nicht unkommentiert. In jeder zehnten der Artikelüberschriften wird öffentlich über die „Dexit“-Pläne und Abschiebe-Vorhaben diskutiert, wobei die BILD die Empörung der Gesellschaft abzubilden versucht, indem diese sich per „Buttersäure-Anschlag“ und dem Abhängen von Wahlplakaten wehrt.

Fazit

Wo die BILD sich bei der Kampagnenarbeit gegen Robert Habeck noch derart sicher war, negative Sichtweisen zu seiner Person streuen zu können, die teilweise auf der Falschauslegung von Informationen beruhten, beweist sie bei Höcke mehr Feingefühl und Unsicherheit.

Hier nochmal zur Erinnerung die Verteilung bei der Berichterstattung über Habeck:

Und hier die verschiedenen Frames, mit Hilfe derer die BILD über den Faschisten Höcke berichtet (auch wenn die Verteilung nach “positiv” und “negativ” hier nicht ganz so eindeutig ist):

Es scheint, als gehe es bei der Berichterstattung über Faschisten eher darum, die Höhen und Tiefen einer manisch-depressiven Stimmungswelt mitzumachen, weshalb sowohl über die Anklagen gegen die Rechtsextremen, die Verluste bei den Wahlen, als auch über die steilen Aufstiege bis hin zum Größenwahn berichtet wird. Höcke wird behandelt, als wäre er irgendein B-Promi – angesichts dessen, dass er gerichtsfester Faschist ist, eine gefährliche Verharmlosung. Statt irgendwelche realen Gefahren für die Demokratie zu erkennen, scheint die BILD-Berichterstattung allerdings wie ein Fähnchen im Wind zu flattern.

Artikelbild: Carsten Koall/dpa; Swen Pförtner/dpa; StGrafix, shutterstock.com

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