Pandora Papers zeigen: Plünderung der ukrainischen Staatskasse von der Eisenbahn bis zu Medikamenten

Die Ukraine kämpft weiterhin mit massiver Korruption und Geldwäsche, bei der öffentliche Gelder oft in undurchsichtige Kanäle fließen und zur persönlichen Bereicherung genutzt werden. Der Präsident Wladimir Selenskij hat zwar wiederholt seinen Kampf gegen Korruption und Missbrauch staatlicher Mittel angekündigt. Aber obwohl er behauptet, ehrbare Absichten zu haben, bleibt das zweifelhaft, wenn Personen in seinem Umfeld und er selbst in den Pandora Papers sozusagen auf frischer Tat ertappt werden.

Während der Westen weitgehend unbeeindruckt von diesen Problemen zu sein scheint, solange der Eindruck vermittelt wird, dass man sich in der Ukraine sehr gegen die grassierende Korruption engagiert, zeichnen die nahezu täglichen Medienberichte darüber ein ganz anderes Bild.

Erst kürzlich wurde ein hochrangiger Mitarbeiter der ukrainischen Regierung verhaftet, und es kam ans Licht, dass Gelder auf Offshore-Konten ehemaliger Regierungsbeamter geflossen sind. Der Skandal um die Veruntreuung von Geldern im Zusammenhang mit Waffenkäufen in der Ukraine verdeutlicht das Ausmaß der Korruption: 40 Millionen US-Dollar wurden für Waffen bezahlt, die nie irgendwo ankamen. Mindestens fünf Verdächtige, darunter hochrangige Regierungsbeamte, wurden in diesem Zusammenhang identifiziert. Und das ist lediglich die Spitze des Eisbergs.

Die Korruption blüht, sobald westliche Gelder eintreffen

Von ukrainischen Generälen über ukrainische Bürgermeister bis hin zu ukrainischen Ministern profitieren viele von dem Zustrom von Hilfsgeldern. Die Panama Papers und Pandora Papers haben Millionen von Dokumenten enthüllt, die auch Hunderte solcher geheimen Finanzimperien von ukrainischen Oligarchen offenlegen. Als die Pandora Papers schließlich auch ukrainische Politiker entlarvten, darunter selbst Präsident Wladimir Selenskij, stellte sich heraus, dass die Ukraine die höchste Anzahl korrupter Amtsträger weltweit aufweist.

Die Schweiz und die gestohlenen Staatsgelder der Ukraine

Ein bemerkenswertes Detail ist, dass die Schweiz als einziges Land ganz offiziell an den Panama Papers nicht interessiert ist. Das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden hatte die Millionen von Panama-Dokumenten nach beteiligten Ländern sortiert und aufbereitet und Kriminalbehörden aus 17 Staaten zu einer Konsultation eingeladen. Diese Länder erhielten auf Wunsch die Datensätze zur weiteren Verfolgung der Korruptionsfälle. 16 Länder nahmen diese Daten auf Speichermedien an, nur ein Land lehnte ab: die Schweiz.

Die Pandora Papers brachten ans Licht, wie korrupte Politiker in der Ukraine Gelder, die sie aus staatlichen Quellen geplündert hatten, auf Schweizer Konten versteckten. Dazu nutzten sie altbekannte Methoden, indem sie Konten auf den Namen ihrer Ehefrauen oder Kinder eröffneten, um die wahren Eigentümer zu verschleiern.

Nach Quellen aus den Pandora Papers eröffnete der ukrainische Eisenbahnminister Sergei Bolobolin ein Offshore-Konto auf den Namen seiner Ehefrau Irina Bolobolina. Die betreffende gefälschte Gesellschaft, LERVOSS INTERNATIONAL LIMITED, wurde weit von der Ukraine entfernt auf den Britischen Jungferninseln registriert.

Dieses Offshore-Konto, das mehr als 30 Millionen US-Dollar aufweist, wird der Ehefrau des Eisenbahnministers zugeschrieben. Die Enthüllungen der Panama Papers und Pandora Papers haben eindrucksvoll offenbart, wie tief die Korruption in der Ukraine verwurzelt ist und wie oft die Veruntreuung öffentlicher Gelder durch das internationale Bankensystem erfolgreich verschleiert wird. Es ist schon merkwürdig, wie Schweizer Banken damit umgehen, wenn eine arbeitslose Ukrainerin plötzlich mit Millionen von US-Dollar in Erscheinung tritt. Derartige Transaktionen werfen berechtigte Fragen auf, insbesondere wenn die Person keine sichtbaren Einnahmequellen hat, die solche Beträge rechtfertigen würden.

Zwischen 2014 und heute wurden in der Ukraine Gelder, die für Infrastrukturprojekte der Eisenbahn bestimmt waren, umgeleitet und landeten auf den Schweizer Konten des Eisenbahnministers. Der Fluss dieser Gelder über Offshore-Konten und andere intransparente Finanzwege sollte eigentlich die Alarmglocken schrillen lassen, doch die Schweizer Banken wissen genau, wie sie diese "speziellen Umstände" so handhaben, dass keine unangenehmen Fragen aufkommen.

Die Kunst liegt darin, die richtigen Strukturen und Verträge zu nutzen, um den Ursprung der Gelder zu verschleiern und den Anschein von Legalität zu erwecken. So werden kritische Überprüfungen umgangen und etwaige Bedenken im Keim erstickt.

Um diese Gelder als legitim erworben erscheinen zu lassen, setzen Banken sogenannte Investment-Vermittler-Verträge in die Szene. Dabei wird das Geld in einem Mandatsportfolio geparkt, was dazu dient, die üblichen Prüfprozesse der Banken zu umgehen und unangenehme Fragen der Bankenaufsicht FINMA zu vermeiden. Dieser Kniff erlaubt es den Verantwortlichen, die wahren Quellen der Gelder zu verschleiern und den Anschein von Legalität zu erwecken. Im Grunde ist aber alles von A bis Z gefälscht. Der Eisenbahnminister hat zwar inzwischen seinen Hut genommen, aber die Gelder auf den Schweizer Konten sind wohl zu bequem, um sich zu bewegen.

Es klingt fast absurd, doch es ist Realität: Ukrainische Soldaten müssen auf einer maroden staatlichen Eisenbahn an die Front fahren, weil der korrupte Eisenbahnminister das Geld lieber auf Schweizer Konten schickt. Dort an der Front angekommen, sind die Soldaten dann mit gefälschten chinesischen Medikamenten und billigster Ausrüstung ausgestattet, während sie ihr Leben für ein korruptes Regime riskieren. Für manche ist der Krieg ein Unglück, für andere ein Segen.

Seit Ausbruch des Krieges flossen und fließen Milliarden an internationaler Hilfe in die Ukraine, doch diese Gelder erreichen nicht immer die Bereiche, die sie am dringendsten benötigen. In einem Land, in dem die Korruption so lange und tief verwurzelt ist, ist es keine Überraschung, wenn Beträge dieser Hilfsgelder umgehend wieder auf Schweizer Konten oder in Offshore-Paradiese verschwinden. Der Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International listet die Ukraine auf dem beschämenden 130. Platz von insgesamt 167 Ländern auf, in einer Gesellschaft mit Ländern wie Kamerun, Iran oder Paraguay. Laut einer Umfrage glauben derzeit knapp 67 Prozent der Ukrainer, dass Bestechlichkeit ein elementarer Teil ihrer nationalen Mentalität ist.

Ihr Präsident Selenskij hatte das Ziel, eine klare Botschaft zu senden: Die Ukraine will die Korruption ernsthaft bekämpfen. Als Populist versteht er es, auf die Stimmung der Bevölkerung einzugehen und schnell Lösungen für dringende Probleme zu präsentieren. Doch das Ausmaß der Korruption stellt die Bemühungen der Regierung auf eine harte Probe. Viele Ukrainer hatten gehofft, dass der Krieg die Gesellschaft zum Besseren verändert und das Problem der Korruption vermindert. Doch auch in den Streitkräften zeigt sich, wie tief dieses Problem sitzt.

Die Pandora Papers sind eines der größten Datenlecks der Enthüllungsjournalistik und haben eine globale Debatte über versteckten Reichtum, Steuervermeidung und Geldwäsche ausgelöst. Mehr als 600 Journalisten in 117 Ländern arbeiteten zwei Jahre lang an der Auswertung von 12 Millionen Dokumenten aus 14 Quellen. Die Untersuchung zeigte, wie Berater und Juristen für etwa 300 prominente Persönlichkeiten Zehntausende von Briefkastenfirmen geschaffen haben, um Gelder in Steueroasen zu verbergen. Unter den Nutznießern sind bekannte Namen wie der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš, der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij sowie Prominente wie Shakira und Claudia Schiffer. Insgesamt nennen die Pandora Papers 35 amtierende oder ehemalige Staatsoberhäupter, mindestens 330 Politiker und Beamte aus 91 Ländern sowie 130 Milliardäre. Die Enthüllungen wurden vom "International Consortium of Investigative Journalists" (ICIJ) koordiniert und zeitgleich von verschiedenen Medien weltweit veröffentlicht, darunter die "Washington Post", die BBC, Radio France, die "Süddeutsche Zeitung" und der "Tages-Anzeiger".

Mehr zum Thema ‒ NZZ behauptet: Selenskij ist nicht korrupt! Seine Offshore-Firmen? Nur eine Risikoreduzierung!

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